1. Roundtable|Agenturen: Agenturen und Freiberufler im Dialog

Dialog schafft Verständnis, schafft Transparenz, schafft einen respektvollen Umgang miteinander im Geschäftsalltag.

Anlässlich der 1. DialogKonferenz des DVÜD e. V., fand am 1. Oktober 2015 in Hamburg die Auftaktveranstaltung des Roundtable|Agenturen statt. Gastgeber war die Kommunikationsagentur TDUB https://www.tdub.de. Der Grund, diesen runden Tisch zu initiieren, ist einfach: Da der DVÜD e. V. keine Agenturen als Mitglieder aufnimmt, der Dialog mit ihnen als Auftraggeber jedoch unverzichtbar ist, wollten wir dafür unbedingt einen Rahmen schaffen. Das Interesse sowohl seitens der Agenturen als auch der Freiberufler war enorm. Dennoch beschränkten wir uns auf fünf Teilnehmer auf jeder Seite:

Gruppenfoto Roundtable|Agenturen

Hintere Reihe: Andreas Rodemann (DVÜD e. V.), Alexandra Grobe (EnglishBusiness AG), Petra Haag (freiberufliche Übersetzerin aus Italien, www.petra-haag.com), Jessica Link (freiberufliche Übersetzerin aus Italien,  www.jessicalinktranslations.com), Robin Ribback (VerbaVoice GmbH), Josephine Burmester (WIENERS+WIENERS GmbH) und Gastgeber Tilo Timmermann (TDUB)
Vordere Reihe: Steffi Wloch (freiberufliche Übersetzerin – www.tuliparola.de), Krishna-Sara Helmle (DVÜD e. V.), Serena Tirinnanzi (lingoking GmbH), Beate Maier (freiberufliche Übersetzerin und Dolmetscherin) und Rafael Adam (freiberuflicher Dolmetscher – www.adam-ortiz.com). Ein Agenturvertreter fehlte leider unentschuldigt.

Moderiert wurde der Roundtable|Agenturen von Andreas Rodemann, Beiratsvorsitzender des DVÜD e. V. und zuständig für den Bereich „Unternehmerische und kaufmännische Weiterbildung“. Unterstützt wurde er dabei von Krishna-Sara Helmle, ebenfalls Beirat im DVÜD e. V., und Christian Rasch (www.hcr-media.de), der den Nachmittag auf Fotos festhielt.

Die Atmosphäre bei dieser Veranstaltung war äußerst angenehm und entspannt. Die Teilnehmer haben sich hervorragend über die Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Freiberuflern ausgetauscht. Das Konzept des Roundtable|Agenturen sah viel Raum für einen offenen Dialog vor, keine feste Tagesordnung. Leitfragen boten einen weitläufigen Rahmen für das Gespräch. Von vier vorbereiteten Leitfragen wurden insgesamt drei intensiv diskutiert.

Der Roundtable|Agenturen im Detail

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einer Begrüßung der Präsidentin Tanya Quintieri, die kurz etwas zur Geschichte des DVÜD e. V. erzählte und die Idee zum Roundtable|Agenturen erläuterte. Nach einer Vorstellung der einzelnen Teilnehmer trug Gastgeber Tilo Timmermann einen Impulsvortrag vor, in dem er Übersetzungen auf Internetseiten und Marketingmaterialien aufzeigte, die leider sehr oft unglücklich ausfallen und manchmal sogar fehlerhaft sind.

Danach erläuterte Andreas Rodemann die weitere Vorgehensweise und präsentierte den Teilnehmern bereits die erste Leitfrage.

These 1: Agenturen sind im heutigen Übersetzungsgeschäft unverzichtbar!

Die Teilnehmer wurden gebeten, diese These mit farbigen Klebepunkten zu bewerten. Die Bewertung fiel sehr eindeutig aus, wie im folgenden Bild zu sehen ist. Die Mehrheit der Teilnehmer ist tatsächlich der Ansicht, dass Agenturen aus dem heutigen Übersetzungsgeschäft nicht mehr wegzudenken sind. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Erkenntnisse

Die erste Frage, die aufgeworfen wurde war, was eine Agentur eigentlich ist. Übersetzer haben oft ein sehr undifferenziertes Bild einer Agentur, verstehen sie als sogenannte „Umtüter“, die lediglich Aufträge entgegennehmen und diese dann an Freiberufler weiterleiten. Hinzu kommt die Vorstellung, dass es für bestimmte Leistungen einer Agentur keiner besonderen Qualifikationen bedarf. Dieses Bild einer Agentur ist so nicht korrekt. Denn Agenturen bieten mit ihren oftmals vielen eigenen Mitarbeitern sehr wohl zusätzliche Leistungen, sowohl für den Kunden als auch für den Übersetzer.

Übersetzungsprojekte werden immer umfangreicher und komplexer. Mit der zunehmenden Internationalisierung des Übersetzungsgeschäfts, als auch durch die Komplexität großer Projekte, zum Beispiel mit mehreren Sprachen, steigt der Aufwand für die Koordination. Zwar kann ein Übersetzer mit einem sehr guten Netzwerk viele Projekte, die von Agenturen bearbeitet werden, auch selbst abwickeln, doch je umfangreicher und komplexer ein Projekt wird, desto schwieriger wird es für ihn.

Agenturen haben den Vorteil, dass sie dem Kunden, der sich oftmals im Übersetzungsmarkt überhaupt nicht auskennt, einen einzigen Ansprechpartner für die gesamte Dienstleistung bieten. Für den Übersetzer haben Agenturen den Vorteil, dass er sich um das Übersetzen kümmern kann, während die Agentur ihm andere Tätigkeiten abnimmt.

Im internationalen Übersetzungsmarkt können nur große Agenturen bestehen. So finden zum Beispiel derzeit viele Übernahmen europäischer Agenturen durch amerikanische statt, die sich so immer mehr auf dem europäischen Markt durchsetzen wollen. Diese Entwicklung wird möglicherweise noch verstärkt, wenn das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP umgesetzt wird. Dagegen werden manche Agenturen als verzichtbar eingestuft, weil sie durch ihr Hauptaugenmerk „Preis“ den Markt für alle anderen Marktteilnehmer kaputt machen.

Natürlich kann ein Übersetzer mit einem guten Netzwerk auch komplexere Aufträge ohne Agentur bearbeiten. Denn für einige Aufgaben, die eine Agentur übernimmt, sind keine besonderen Qualifikationen erforderlich.

2. Leitfrage: Welches Verhalten in der Zusammenarbeit zwischen Freiberuflern und Agenturen ist besonders negativ?

In Foren und Mailinglisten, aber auch im persönlichen Gespräch lesen und hören wir als Verband oft negative Aussagen über Agenturen. Doch Beziehungen bestehen immer aus mindestens zwei Parteien. Daher müssen wir jede Geschichte auch immer von mindestens zwei Seiten betrachten. Naturgemäß entspann sich zu dieser Frage eine lebhafte Diskussion.

Erkenntnisse

Es wurden viele verschiedene Verhaltensweisen aufgezählt, die von beiden Seiten als negativ betrachtet werden. Nach Abschluss dieses Themas wurden die Teilnehmer gebeten, mittels farbiger Klebepunkte die Verhaltensweisen zu bestimmen, die ihrer Meinung nach am häufigsten auftreten und sich besonders negativ auf die Zusammenarbeit auswirken. „Mangelnde Kommunikation“ erhielt hierbei die meisten Stimmen. Gründe hierfür sind unter anderem:

  • E-Mails werden nicht beantwortet (von beiden Seiten);
  • Übersetzer stellen keine Fragen zum Projekt;
  • Agenturen beantworten die vom Übersetzer gestellten Fragen zum Projekt nicht.

Die auf den zweiten Platz gewählte negative Verhaltensweise ist das Unvermögen, sich in den Gesprächspartner hineinzuversetzen. Dies trifft auf beide Seiten zu. Als nächstes wurde als negativ bewertet, wenn Fristen von beiden Seiten nicht eingehalten werden oder Dolmetscher zu spät zu ihrem Auftrag erscheinen.

Ebenfalls unangenehm fällt folgende Verhaltensweise einiger Agenturen auf: Sie zahlen nicht rechtzeitig. Dies lässt sich noch mit dem Argument von Agenturen ergänzen, dass der Endkunde noch nicht gezahlt hätte. Zu diesem Punkt zählt auch, dass manche Agenturen (ohne Rücksprache) einen Mangel geltend machen und die Rechnung eigenmächtig kürzen.

Demgegenüber steht ein Verhalten, das einer unternehmerisch denkenden Person beinahe absurd vorkommen muss: Wenn Freiberufler ihre Rechnung entweder viel zu spät oder sogar überhaupt nicht stellen.

Von Agenturenseite wird als negatives Verhalten außerdem Kritikunfähigkeit genannt. Viele Freiberufler gingen sofort in eine Abwehr- oder Rechtfertigungshaltung, wenn sie auf einen vermeintlichen Fehler hingewiesen würden. Sie lehnten es ab, sich den Fall konkret anzuschauen und zu überlegen, ob hier nicht doch ein Fehler vorliegen könnte. Damit verpassten sie die Chance, etwas dazuzulernen. Allerdings gibt es auch Agenturmitarbeiter, die abwehrend auf Kritik reagieren.

Insbesondere die Freiberufler, aber auch die Agenturvertreter, bewerten sogenannte anonyme Massenanfragen negativ, weil sie den Freiberufler nicht persönlich ansprechen. Personalisierte Anfragen hingegen sind Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung.

Eine weitere Verhaltensweise, die zu Unstimmigkeiten führen kann, ist die Abstimmung von Urlaub zwischen Kunde, Agentur und Freiberufler. Zum Beispiel wenn ein Freiberufler in der Hauptsaison des Kunden oder der Agentur in Urlaub geht. Manche Kunden reagieren unwillig, wenn der Freiberufler seinen Urlaub antritt – auch wenn er das vorher ausreichend angekündigt hat.

Ein paar weitere negativ besetzte Verhaltensweisen, ohne weitere Erläuterung:

  • Der Übersetzer erklärt sich mit einem geringeren Preis einverstanden und nimmt den Auftrag an. Danach beschwert er sich über den Projektablauf oder Projektinhalte, die ihm zu diesem Preis inakzeptabel erscheinen. Manchmal liefert der Übersetzer auch zu spät oder mit geringerer Qualität und begründet dies mit dem geringeren Preis;
  • Der Übersetzer verlangt ein höheres Honorar, obwohl die mit der Agentur vereinbarten Preise eigentlich feststehen;
  • Vertrauensbruch durch Ausnutzung;
  • Agenturen schreiben die Nutzung einer bestimmten Software vor und verlangen die Lieferung eines Translation Memory ohne Gegenleistung;
  • Agenturen schreiben eine Staffelung für Matches vor. Der Übersetzer schafft sich die kostenpflichtige Software auf eigene Kosten an, schult sich auf eigene Kosten selbst und muss dann finanzielle Nachteile hinnehmen;
  • Agenturen verlangen die Löschung von Auftragsdaten;
  • Agenturen stellen eine Voranfrage, ob der Übersetzer ein bestimmtes Projekt übernehmen kann. Der Übersetzer sagt zu und versucht, diese Voranfrage einzuplanen. Die Agentur meldet sich zunächst längere Zeit nicht mehr. Wird dann der Auftrag für die Agentur konkret, muss der Übersetzer ohne weitere Vorlaufzeit das Projekt in kürzester Zeit bearbeiten.

3. Leitfrage: Welches Verhalten in der Zusammenarbeit zwischen Freiberuflern und Agenturen ist besonders positiv?

Auch zu dieser Frage haben sich die Teilnehmer ausgetauscht, Antworten gesammelt und anschließend mittels farbiger Klebepunkte die Verhaltensweisen bewertet. Diese Leitfrage fanden wir ebenfalls wichtig, da in der Öffentlichkeit kaum über Positives in der Zusammenarbeit gesprochen wird.

Erkenntnisse

Am wichtigsten fanden alle Beteiligten die gegenseitige Wertschätzung und den Zusammenhalt untereinander, der entsteht, wenn die Zusammenarbeit positiv verläuft. Dann ist ein Verständnis und Bewusstsein für die Leistungen der jeweils anderen Seite gegeben. Daraus ergibt sich die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die als zweite wichtige und positive Verhaltensweise herauskristallisiert hat.

Als positiv empfanden alle Teilnehmer auch, wenn sich Freiberufler ebenso wie Agenturen mit dem Kunden identifizieren, sodass eine Dreiecksbeziehung unter allen Beteiligten entsteht. Dabei wird besonderer Wert auf Transparenz und Kommunikation des gesamten Teams untereinander gelegt, wodurch sich eine konstruktive Zusammenarbeit herausbildet. In einigen Agenturen gilt es sogar als selbstverständlich, dass der Übersetzer nicht nur weiß, wer der Endkunde ist, sondern sogar mit diesem direkt kommunizieren darf.

Eine weitere wichtige positive Verhaltensweise ist, dass Agenturen den Freiberuflern Arbeit abnehmen, zum Beispiel Akquise und Kundenbetreuung. Dabei fungiert die Agentur als Puffer zwischen dem Endkunden und dem Freiberufler.

Besonders hilfreich ist es, wenn bei einer Agentur immer derselbe Projektmanager für Endkunde und Übersetzer zuständig ist.

Eigentlich selbstverständlich ist eine Verhaltensweise, die trotzdem weit vorne in der Bewertung steht: Ehrlichkeit, das heißt ein offener Austausch, wenn zum Beispiel einmal etwas nicht so läuft, wie es vereinbart wurde.

Beide Seiten wünschen sich auf jeden Fall eine langfristige Zusammenarbeit und bewerten diesen Punkt dementsprechend auch sehr positiv.

Die übrigen positiven Verhaltensweisen sind abschließend ohne weiteren Kommentar aufgeführt:

  • Der Projektmanager hat Entscheidungsfreiheit im Projektablauf. Das heißt, wenn sich zum Beispiel Verzögerungen ergeben, sollte er durchaus auch mal eine um eine oder zwei Stunden verspätete Lieferung akzeptieren können, ohne dafür beim Endkunden anfragen zu müssen;
  • Ein Bewusstsein über Stärken und Schwächen, und zwar auf beiden Seiten;
  • Agenturen stellen Referenzmaterial und Translation Memory;
  • Im Gegensatz zur negativen Verhaltensweise, ganz zum Schluss, natürlich das eingehaltene Zahlungsziel.

Fazit

Sowohl den Agenturen als auch den Freiberuflern geht es um ein Miteinander auf Augenhöhe und um eine vertrauensvolle, ehrliche, konstruktive Zusammenarbeit. Beide Seiten wollen sich aufeinander verlassen können.

Wie geht es mit dem Roundtable|Agenturen weiter?

Der erste Roundtable|Agenturen war sowohl aus Sicht des DVÜD e. V. als auch aus Sicht der Teilnehmer ein voller Erfolg. Für manchen Außenstehenden mögen diese ersten Ergebnisse selbstverständlich sein. Aber es waren der Rahmen und der respektvolle Austausch, der alle Beteiligte auf eine fruchtbare Fortführung der Reihe hoffen lässt.

Darum möchten wir als Verband diesen begonnen Dialog bundesweit in regelmäßigen Abständen fortführen und vertiefen. Zwei mal pro Jahr, jeweils im Frühjahr und im Herbst, werden wir zu künftigen Runden Tischen einladen und den Dialog weiterführen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bei unserem Gastgeber Tilo Timmermann, der uns seine Geschäftsräume sowie die Verpflegung zur Verfügung gestellt hat. Mit seiner Sicht auf unseren Berufsstand hat er uns interessante und wichtige Impulse gegeben und wir sind uns sicher, dass wir ihn an der einen oder anderen Stelle wieder treffen werden.

Wer zum Roundtable|Agenturen auf dem Laufenden gehalten werden möchte, kann sich gerne in unseren Verteiler eintragen. Wir informieren regelmäßig über neue Termine und versenden die Ergebnisse im Anschluss als Zusammenfassung. Die Teilnahme am Runden Tisch ist für Freiberufler und Agenturen kostenlos, aber ganz sicher nicht umsonst.

Impressionen des #RTA2015

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