Schwellenangst vor der ersten Konferenz ist etwas, was alle Übersetzer kennen (die Dolmetscher eventuell weniger): Was ziehe ich an? Wie trete ich auf? Wird man mich ernst nehmen? Kommen da nicht vor allem die ganz tollen Übersetzer, die schon ewig im Geschäft sind und mindestens viermal so viel verdienen wie ich?

Unterschwellig schwingt die Befürchtung mit, dass man am Ende ganz klein und bescheiden nach Hause fährt und sich vielleicht doch lieber nach einer Festanstellung umsieht.

Rechtsanwälte, Ärzte und andere Freiberufler, aber auch Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen bilden sich regelmäßig auf Konferenzen fort – Übersetzer und Dolmetscher haben ebenfalls ihre internen Branchenevents. Dort geht es um neue rechtliche Rahmenbedingungen und Vorschriften, den Umgang mit aktueller Software, Datenschutzfragen, ethische Fragen und den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Sprachkombinationen.

Was bringt eine brancheninterne Konferenz?

Eine erfahrene Konferenzdolmetscherin sagte nach ihrem ersten Besuch einer brancheninternen Konferenz: „Jetzt war ich schon auf so vielen Konferenzen im Einsatz, aber ich hätte nie gedacht, dass eine Übersetzerkonferenz mir so viel bringen würde.“

Dieser Satz fiel im Rahmen der CTC 2018 auf den Kanaren, einem neuartigen Konferenzformat von den Bizmuses, Nicole König und Paula Arturo, bei dem weniger die Vorträge im Mittelpunkt standen als vielmehr die konkrete persönliche Geschäftsstrategie und die nächsten Schritte zum Erfolg. In zwei Workshopsträngen von je 180 Minuten (plus ausreichend Pausen) ging es schwerpunktmäßig um die Frage, wie man sich als Freiberufler dauerhaft erfolgreich am Markt etablieren kann, wo die Fallstricke lauern und wie man Fettnäpfchen umgeht oder notfalls auch meistert.

Mit welchen Kosten muss ich rechnen?

Das ist je nach Veranstalter und Konferenztyp unterschiedlich. Für große Konferenzen mit bis zu 1000 Teilnehmern aus aller Welt lassen sich leichter Sponsoren gewinnen, die auf den Werbeeffekt setzen und dort in der Regel auch einen Stand haben, um über ihre Produkte zu informieren. Kleinere Konferenzen kosten mitunter kaum mehr als ein Wochenendseminar, obwohl sehr viel mehr geboten wird: Vorträge und Workshops mit unterschiedlichen Referenten und zu den unterschiedlichsten Themen, ein Rahmenprogramm und mindestens ein Networking-Essen.

Für eine zwei- bis dreitägige Übersetzerkonferenz in Europa sollte man ein Budget von circa 1000 Euro ansetzen, das sich mit den folgenden Spartipps allerdings senken lässt:

  • FRÜH buchen. Fast alle Organisatoren gewähren Frühbucherrabatte (Early Bird Fee).
  • Wer rechtzeitig bucht (am besten sofort nach dem Konferenzticket), kann Schnäppchenpreise für Hotel und Anreise nutzen, zum Beispiel Supersparpreise der Bahn und ein Zimmer aus dem Hotelkontingent oder in einem günstigen Quartier in der Nähe, wenn man lieber ein wenig für sich sein möchte. Vielleicht teilst du dir auch ein Zimmer mit einer guten Kollegin?
  • Verbandsmitgliedschaft. Die meisten Übersetzerverbände erkennen die Mitgliedschaft in einem Partnerverband an und gewähren gegenseitig Mitgliederkonditionen.

Das klingt viel? Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sind Übersetzerkonferenzen in Europa relativ günstig. Manche Kolleg*innen fliegen regelmäßig zu den ATA-Konferenzen in den Vereinigten Staaten, wo weit höhere Eintritts- und Reisekosten anfallen.

Welche Konferenz ist die richtige für mich?

Das kommt darauf an. Auf einer großen Konferenz läuft man von einer spannenden Veranstaltung zur nächsten, doch es bleibt eher wenig Zeit für die Randgespräche und das bessere Kennenlernen der Kollegen aus aller Welt. Man kommt mit einem Kopf voller Eindrücke und viel Wissen nach Hause, hat aber wenig Zeit, das Gelernte wirklich zu verarbeiten. Hier kann es sinnvoll sein, sich zuvor mit einigen Kollegen, die man über soziale Medien oder Stammtische kennt, abzustimmen und einen gemeinsamen Besuch zu planen.

Kleine spezialisierte Konferenzen sind für den Einstieg unter Umständen besser. Hier gab es in den letzten Jahren ganz unterschiedliche Angebote mit dem Fokus auf Medizin, Recht, Datenschutz oder eben die oben erwähnte, praxisorientierte Konferenz zu Marketingthemen, die natürlich nicht nur für die eigene Strategie hilfreich war, sondern auch für alle, die im Bereich Marketing und Transkreation (dem kreativen, zielgruppengerechten Neutexten in der Zielsprache) tätig sind und ihren Kunden passende Lösungen anbieten möchten.

Dresscode und Essentials

Der Dresscode ist relativ einfach: Zieh dich so an, wie du deinen Kunden gegenübertreten würdest. Denn jeder Übersetzer, dem du auf der Konferenz begegnest, ist ein potenzieller Kunde oder sieht dich mit den Augen von Kunden, an die er dich eventuell einmal weiterempfehlen möchte. Beim abendlichen Networking-Dinner kannst du damit rechnen, dass insbesondere Kolleginnen aus anderen Ländern sich ziemlich in Schale schmeißen – ein schickes Dinner ist eben kein Stammtisch.

Keinesfalls vergessen solltest du das gut gesicherte Smartphone (zum Twittern und schnellen Vernetzen mit neuen Kontakten) samt Ladekabel, eine geladene Powerbank und deine Visitenkarten. Achte darauf, dass sie international tauglich sind: Wenn man unvermittelt mit einer Gruppe Kollegen aus allen möglichen Ländern Karten austauscht, kommt die Erkenntnis, dass die eigenen Visitenkarten noch nicht einmal die eigene Ländervorwahl enthalten oder ausschließlich auf Deutsch gedruckt wurden, etwas spät.

Notfalltipp: Die technischen Daten (Modellnummer, Seriennummer, IMEI-Nummer) des Smartphones irgendwo hinterlegen, wo man im Verlustfall über ein anderes Gerät leicht herankommt. Manchmal gehen unsere liebsten Begleiter schlichtweg verloren und müssen dann schnell gesperrt, bei der Polizei oder beim Fundbüro gemeldet (für die Versicherung) oder aber geortet werden.

Imke Brodersen übersetzt in erster Linie Sachbücher und besuchte 2013 nach 22 Jahren als Freiberuflerin erstmals eine Übersetzerkonferenz. Seither reist sie regelmäßig zu interessanten Branchenevents.

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