Per N. Döhler ist Übersetzer für Zahnmedizin und Zahntechnik und gibt jedes Jahr einen Umsatzsteuerratgeber für Selbstständige Übersetzer:innen heraus. Diesen nützlichen Ratgeber haben wir als Anlass genommen, Per um ein Interview zu bitten. Vielen Dank für die nette Zusammenarbeit!

Bitte stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern kurz vor.

Per Döhler (Foto: privat)

Per N. Döhler, Inhaber von Triacom, einem kleinen Übersetzungsbüro im Herzen Norddeutschlands, gegründet 1984. Studium in Hamburg und Berkeley, M.A. in Linguistik, Ich erstelle nach wie vor die meisten Übersetzungen persönlich. Seit 1992 steht mir meine Frau Dr. Thea Döhler als Lektorin und Projektkoordinatorin zur Seite. (Sie ist als Beraterin auf die Übersetzerbranche spezialisiert.) Mein Fachgebiet ist die Zahnmedizin und Zahntechnik; hier übersetze ich ins Deutsche und ins Englische. Triacom ist zertifiziert nach DIN EN ISO 17100.

Sie sind hauptberuflich selbst Übersetzer – wie sind Sie zu dem Beruf gekommen? Ist es für Sie ein “Traumberuf”?

Ich wollte nicht Übersetzer werden, sondern ursprünglich gern an der Universität forschen. Dass ich Übersetzer geworden war, habe ich selbst erst Jahre später »gemerkt«.

Ich habe in Hamburg Linguistik studiert, mit Geschichte im Nebenfach, dann in Berkeley fantastische Linguisten als Dozenten kennen gelernt, mit denen hätte ich gern zusammengearbeitet und geforscht. Ich hatte auch die Einladung, in Berkeley zu promovieren, konnte das Vorhaben aber aus verschiedenen Gründen nicht verwirklichen.

Nach dem Magisterabschluss dachte ich, wenn ich Linguistik und Informatik verbinde, wäre das »das nächste große Ding«. Aber die Welt war noch nicht so weit. Immerhin durfte ich mit Hamburger Dozenten bereits vor dem Informatikstudium an Programmen für den Fremdsprachenerwerb mitarbeiten. Da hatte sich mein damaliges Heimcomputerhobby schnell bezahlt gemacht.

Das Informatik-Aufbaustudium habe ich nach dem Vordiplom beendet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits seit sechs Jahren übersetzt, die ersten zwei Jahre im Rahmen einer Hilfskraftstelle am Historischen Seminar, dann ab Anfang 1984 als freiberuflicher Übersetzer. Erst seit 1988 war mir selbst klar, wohin mich mein beruflicher Weg führen würde.

Einige Jahre lang dachte ich (während ich längst meinen Lebensunterhalt mit Dentalübersetzungen bestritt), ich würde langfristig im Bereich Informatik arbeiten. Ein gutes Jahrzehnt lang lag der Schwerpunkt meiner übersetzerischen Tätigkeit mehr im Bereich IT und Softwarelokalisierung – goldene Jahre, in denen man mit ein bisschen Sachverstand und Einfallsreichtum und mit selbst programmierten Tools sehr produktiv sein konnte.

Traumberuf? In gewisser Weise schon. Gar nicht so sehr wegen der Arbeit selbst – es gibt ja noch so viele andere spannende und intellektuell stimulierende Aufgaben. Vielmehr entspricht die noch immer in großen Teilen selbstbestimmte Arbeit im eigenen Büro, ohne Bürotratsch und Reibereien, meiner introvertierten und eher sach- als personenorientierten Persönlichkeit und hat mir in den letzten 35 Jahren viel erspart, von öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu Streit um die Kaffeemaschine.

Und wir können einmal im Jahr sechs bis acht Wochen ins Ausland »umziehen« und von dort aus arbeiten. Im »Sommerbüro« hält man seine Sprachkenntnisse lebendig und sieht auch mal seine Kunden. Angestellte haben diese Freiheit seiten.

Hat Ihr Studium der Linguistik an der Universität Hamburg Sie auf den Übersetzerberuf vorbereitet bzw. war das das Ziel des Studiums?

In keiner Weise; das war ja auch von keiner Seite geplant. Erkenntnisse aus der Linguistik können hilfreich für das Verständnis des Übersetzungsprozesses sein, das macht aber nur einen kleinen Teil der beruflichen Entwicklung aus.

Wenn Sie so zurückdenken, welche Stolpersteine fallen Ihnen ein, denen Sie sich zu Beginn ihrer Berufslaufbahn gegenüber gesehen haben?

Ich war in den ersten neun Jahren ein »autistischer Übersetzer«. Ich kannte keine anderen Übersetzer. Ich hatte nie für eine meiner Übersetzungen eine professionelle Evaluation bekommen. Ich hatte nie ein Buch über die Kunst oder die Fertigkeit des Übersetzens gelesen. Eine Handelskammerprüfung hatte ich gemacht, aber der BDÜ weigerte sich damals, mich aufzunehmen …

Alles änderte sich 1991, als CompuServe nach Deutschland kam. Auf dieser Prä-Internet-Plattform gab es ein moderiertes Forum, FLEFO, wo sich Übersetzer trafen – eine »Facebook-Gruppe« jener Zeit.

Auf einmal kannte ich Hunderte von Übersetzern und Übersetzerinnen. Statt in meiner »Mädchenkammer« arbeitete ich plötzlich in der ganzen Welt. Die virtuelle Welt nahm Gestalt an, und wir FLEFO-Übersetzer waren von Anfang an dabei. Wir haben das genossen. Im Lauf der Jahre habe ich dann viele Kollegen dieser ersten globalen Stunden persönlich kennen und schätzen gelernt.

Welche Hilfen konnten Sie in Anspruch nehmen?

Staatliche, akademische, berufspolitische, …? Keine.

Wie haben Sie sich als zahnmedizinischer Übersetzer etabliert? Auf welchen Veranstaltungen waren Sie, wie haben Sie erste Kontakte knüpfen können?

Das ist ganz banal:  Schuld ist mein Vater, Dr. med. dent. Nicol-Curt Döhler. Er war Zahnarzt und Zahntechniker, später Geschäftsführer der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Zahnärztekammer Schleswig-Holsteins. Er hat mir einen Kontakt zum vielleicht größten deutschen zahnmedizinischen Verlag vermittelt – für den arbeite ich heute noch. (»Der Junge muss doch irgendwas Sinnvolles zu tun haben!«) Damals gab es keine schnelle Kommunikation, und die Erwartungen an die übersetzten Texte waren vielleicht geringer als heute; man kam »mit mehr durch«. Mein Vater hat jahrelang alle meine zahnmedizinischen Übersetzungen gründlich durchgekämmt und korrigiert und mir alles erklärt, was ich nicht verstanden hatte. Auf diesem Wissen habe ich dann z. B. mit Gasthörervorlesungen an der Uni Hamburg aufgebaut – alles anders herum als normal.

Welche Fortbildungen besuchen Sie gerne? Wie bleiben Sie auf dem neuesten Stand?

Zahnärztliches Grundwissen hatte ich mir, wie gesagt, einige Jahre lang »on the job« angeeignet. Wie kommt man von da aus weiter? Ich verrate hier etwas, für das mich manche schief ansehen werden: Ich übersetze ins Englische und ins Deutsche. Das funktioniert nicht für jeden, aber für mich funktioniert es gut, wie zahllose veröffentlichte Texte in beiden Sprachen zeigen.

Ich eigne mir Wissen an, wie man es beim Studieren tut. Ich lese mich in das jeweilige Gebiet ein (oder sehe mir auch mal ein Video an) und prüfe, wie man das Gleiche auf deutsch (oder englisch) beschreiben könnte. Und da ich in beide Richtungen übersetze, bekomme ich die allerneuesten Forschungen in beiden Sprachen gewissermaßen »frei Haus«. Und manchmal »machen« wir auf diese Weise die Terminologie!

Man sollte von den Dingen, über die man schreibt, etwas verstehen. Im Idealfall natürlich ähnlich viel wie der Autor (oder mehr). Wo man eigene Defizite feststellt, muss man diese beheben, durch Lesen, Lesen, Lesen und auch durch Fragen.

Ich bin Teilnehmer in zahnmedizinischen Diskussionsgruppen, Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), war viele Jahre auch in anderen einschlägigen Verbänden und besuche gelegentlich zahnmedizinische Fachkonferenzen und die Leitmesse der Branche (IDS).

Mit Präsenzveranstaltungen im Fortbildungsbereich (Zahn oder nicht Zahn) habe ich meist nicht genug Geduld. Das ist eine Frage des persönlichen Temperaments.

In Übersetzerkreisen sind Sie unter anderem wegen Ihres Umsatzsteuerratgebers bekannt, den Sie seit 2003 veröffentlichen. Wie kam es dazu? Steuerrecht und Medizin unterscheiden sich ja doch deutlich voneinander.

Vor zwanzig Jahren wurde es üblicher, für Übersetzungskunden im Ausland zu arbeiten. Damals zirkulierten im Kollegenkreis ebenso wie unter Steuerberatern die abenteuerlichsten Missverständnisse bezüglich der Umsatzsteuer, weil Steuerberater sich mit den Besonderheiten von international erbrachten Leistungen einfach nicht auskannten. Entweder sie kannten nur Firmen, die Warenlieferungen erbrachten, oder sie hatten Freiberufler als Mandanten, die eben nur (wie sie selbst) im Inland tätig waren. Aber für Dolmetscher und Übersetzer gelten einige Sonderregelungen, die stehen ganz klar im Umsatzsteuergesetz, die muss man einfach anwenden. Daraus hatte ich in einem Forumsbeitrag eine kleine Matrix gebastelt, und daraus ist wiederum unser Umsatzsteuerleitfaden geworden, den wir seitdem auf dem Laufenden halten.

Der DVÜD e.V. hat viele junge Mitglieder. Was würden Sie jungen Übersetzer:innen raten, die sich selbstständig machen und vielleicht wie Ochs vorm Berge stehen und nicht weiter wissen?

Ich war insgesamt 9 Jahre in Vorständen von Übersetzerverbänden (in Deutschland und in Schweden) tätig und habe es dort immer als meine wichtigste »Mission« gesehen, zu vermitteln, dass Übersetzen nicht nur ein wunderbarer Beruf ist, der einem viele Freiheiten geben kann, sondern dass man mit diesem Beruf auch ein gutes oder sehr gutes Auskommen haben kann, wenn man sich selbst konsequent auch als Unternehmer sieht und akzeptiert.

Heute würde ich da etwas vorsichtiger sein. Durch das Erscheinen großer internationaler Akteure in der Übersetzungslandschaft – mit etwas Verzögerung auch in Deutschland – hat sich die Szene doch ziemlich gewandelt. Die Bedürfnisse der Kunden verändern sich. Reine Informationsübersetzungen gibt es schon wegen der nicht wegzudiskutierenden Fortschritte in der maschinellen Übersetzung kaum noch. Kreative Übersetzungen und komplexe Übersetzungsprojekte sind zwar gefragt und gut bezahlt, fordern aber auch viel mehr Sachwissen und mehr Einsatz als früher. Und mehr technischen Verstand. Früher kam man oft auch als mediokrer Übersetzer ohne besondere Spezialisierung (oder »seltenere« Sprache) durch. Das ist vorbei. Wer nicht wirklich gut werden will oder kann, sollte sich lange und gut überlegen, alles auf die Karte »freiberufliche Übersetzungen« zu setzen.

Früher kam man oft auch als mediokrer Übersetzer ohne besondere Spezialisierung (oder »seltenere« Sprache) durch. Das ist vorbei.

Per N. Döhler

Wer aber diesen Weg gehen will, sollte sich so viel Hilfe holen wie möglich. Von den allgemeinen Gründerangeboten der verschiedenen staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen habe ich keinen guten Eindruck, die verstehen oft die Spezifität unseres Berufsumfelds nicht. Auf staatliche Hilfen brauchen wir nicht zu zählen. Viel wertvoller sind die Informationsangebote der Berufsverbände, natürlich auch der kollegiale Austausch – und nicht zuletzt die individuelle Beratung – durch nachgewiesen branchen- und sachkundige Berater.

Davon, sich nach der Ausbildung sofort selbstständig zu machen, rate ich inzwischen dringend ab. Einige Jahre Berufserfahrung in dem, was vielleicht später das eigene Spezialgebiet werden könnte, sind unschätzbar wertvoll. Außerdem verschafft man sich auf diesem Weg das für Gründer unverzichtbare finanzielle Polster und ein berufliches Netzwerk.

Viele Anfänger:innen fangen wegen des geringeren Aufwandes und der kleineren Papierberge als Kleinunternehmer:in an. Ist das aus Ihrer Sicht ratsam?

Wenn Sie damit auf die Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuerrecht anspielen: Das empfehle ich allenfalls, wenn der Kundenkreis zur weit überwiegenden Mehrheit aus Privatpersonen besteht. Der Unterschied ist ja, dass man Umsatzsteuer berechnen muss, nur interessiert das Unternehmenskunden (und Kunden außerhalb der EU) nicht, da sie die Steuer 1 : 1 zurückbekommen. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung hat man dagegen selbst die Möglichkeit, die Umsatzsteuer aus eigenen Betriebsausgaben zurückzubekommen, und gerade am Anfang zählt ja jeder Euro. Aber was vielleicht wichtiger ist: Als »Normalunternehmer« wird man als seriöser wahrgenommen, und wenn man von Anfang an die Scheu vor »dem bisschen Buchhaltung« überwindet, nimmt man sich auch selbst als Unternehmer eher ernst. Und das sind wichtige Erfolgsfaktoren.

Möchten Sie jungen Kolleg:innen gerne noch etwas mit auf den Weg geben?

Wir sind alle viel zu unterschiedlich und haben eine viel zu unterschiedliche Vergangenheit, als dass man irgendwelche Patentrezepte anbieten oder Standardratschläge geben könnte. Vielleicht kann man allenfalls abstrakt dazu raten, auf seinem Weg immer wieder einmal innezuhalten, scheinbar Selbstverständliches periodisch neu zu überprüfen, die Augen offenzuhalten.

Und wenn man dann der Meinung ist, man habe genug richtig gemacht und es läuft alles ganz gut, dann ist das eine schöne Sache, und man kann gern wieder eine Weile wie bisher weitermachen. »Change« ist kein Wert an sich!

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