So mancher Gamer mag denken: »Ich zocke ja eh schon, und eine Fremdsprache beherrsche ich ebenfalls, da kann ich mich auch als Spieleübersetzer bewerben.« Genau so ging es mir damals auch, und ich kann im Nachhinein behaupten, dass das keine so dumme Idee war. 

Gerade in dieser Branche wimmelt es nur so von Quereinsteigern, aber vielen ist gar nicht bewusst, was genau sie im Arbeitsalltag erwartet, daher fasse ich hier mal einige Fallstricke und Besonderheiten zusammen, die diese Branche insbesondere kennzeichnen.

Diverse Textarten

Als Erstes ist zu bedenken, dass man es mit den unterschiedlichsten Textarten zu tun bekommen wird. Denn für ein Spiel muss ja nicht nur all das übersetzt werden, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, sondern zudem die Dialoge sowie das Handbuch und oftmals auch Patchnotes, Marketing- und andere Onlinetexte.

Auch bei den Ingame-Texten gibt es eine große Bandbreite. Wo die Benutzeroberfläche noch zu den einfacheren Textarten gehört, kann es bei ellenlangen Itemlisten (in denen die unzähligen im Spiel verfügbaren Gegenstände aufgeführt werden) schon mal knifflig oder gar langweilig werden. Bei Dialogen hingegen kommt es auf eine vernünftige Dokumentation an, denn wenn man beispielsweise nicht weiß, wer mit wem spricht oder wer geduzt oder gesiezt wird, artet das schnell im Chaos aus.

Ich habe es beispielsweise mehrfach erlebt, dass man mir eine alphabetisch sortierte Exceldatei ohne jegliche Erklärungen oder Kontext zugesandt hat. Das ist weder bei Dialogen schön, denn in diesem Fall weiß man schlichtweg nicht, welche Frage zu welcher Antwort gehört, noch bei z. B. Gegenstandslisten für Wimmelbildspiele, schließlich kann »bat« sowohl »Baseballschläger« als auch »Fledermaus« heißen, und in diesem Fall muss man beim Auftraggeber nachfragen und darauf hoffen, dass man eine hilfreiche Antwort bekommt.

Terminologie

Wichtig ist zudem stets die passende Terminologie. Das bezieht sich einerseits auf die konsolenspezifischen Begriffe – viele Titel werden für mehrere Konsolen parallel entwickelt, und jeder Hersteller stellt umfangreiche Glossare bereit, die präzise zu befolgen sind (Ich kenne mehrere Fälle, in denen ein Spiel bei der Endabnahme des Konsolenherstellers aufgrund falscher Begriffe durchgefallen ist und nachgebessert werden musste). Zudem hat man häufig die Texte für alle Konsolen in einer Datei vorliegen und muss aufpassen, dass man immer den korrekten Fachbegriff verwendet.

Insbesondere hierbei hat man als Gamer einen entscheidenden Vorteil, denn man kennt sich mit einigen (oder gar allen) Konsolen aus und weiß nicht nur, welche Knöpfe und/oder Tasten gedrückt oder gezogen werden, sondern kann vieles schlichtweg besser beschreiben, weil einem die Handhabung der Geräte oder die Bedienung der Menüs vertraut ist.

Darüber hinaus gibt es die unterschiedlichsten Spiele, und wenn man beispielsweise ein Autorennspiel übersetzt, müssen die für das Tuning benutzten Teile selbstverständlich die korrekten Bezeichnungen haben, während bei einem Pferderennspiel wieder anderes Fachwissen erforderlich ist als bei einem Spiel, das im Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist. Hier ist meist viel Recherchearbeit erforderlich, denn der begeisterte Gamer erwartet natürlich, dass die Begriffe in der deutschen Fassung korrekt sind (selbst wenn das für den Ausgangstext nicht unbedingt gelten mag).

CAT-Tools

Da es gerade in diesem Bereich Texte mit zahlreichen Wiederholungen gibt, kommen häufig CAT-Tools (Computer Assisted Translation Tools, also Programme zur computerunterstützten Übersetzung) zum Einsatz. Dies ist vor allem in Bezug auf eine konsistente Übersetzung eine große Hilfe, und es wird im Allgemeinen erwartet, dass man über wenigstens eines dieser Tools verfügt (die in der Anschaffung mitunter nicht gerade günstig sind) und sich damit auskennt. Manche Auftraggeber verwenden auch Eigenentwicklungen oder gar Online-Tools, in die man sich vorher einarbeiten muss.

Zeichenbeschränkungen

Insbesondere im Bereich der Mobile Games können Zeichenbeschränkungen bei der deutschen Fassung zu einer kniffligen Angelegenheit werden. Wenn man aus dem Englischen übersetzt, hat man bei dem oben erwähnten Begriff »bat« dann durchaus mal das Problem, dass nur drei Zeichen vorgesehen ist und man unschöne Abkürzungen finden muss. Ein legendäres Beispiel für ein derartiges Dilemma ist das Spiel »The Elder Scrolls: Oblivion«, in dem es so herrliche Gegenstände wie den Trank »Schw. Tr. d. Le.en.-W.« gibt, dessen Name einem nun mal so gar nicht weiterhilft.

In jedem Fall fordert es einiges an Hirnschmalz, vernünftige Texte in wenige Zeilen zu pressen, damit das Spielen letzten Endes in jeder Sprache Spaß macht.

Zeitdruck

Eine Besonderheit des Übersetzens in der Gaming-Brache ist eindeutig der Zeitdruck. Die Erstellung der jeweiligen Sprachversion ist einer der letzten Schritte der Spieleentwicklung, und oftmals wird dafür einfach zu wenig Zeit (und mitunter auch Geld) eingeplant. So kann es vorkommen, dass man auf den letzten Drücker noch Texte übersetzt, dass Nachtschichten und Wochenendarbeit gefordert werden, damit die finale Fassung rechtzeitig fertig wird, und ich habe es auch schon mehrfach erlebt, dass zehn oder mehr Übersetzer an einem Spiel sitzen, um die Texte in der knappen Zeit fertigzustellen – in diesem Fall ist ein gutes Lektorat, das hinterher alles stilistisch anpasst, unverzichtbar. Gerade bei einem solchen Projekt darf man nicht munter sein eigenes Süppchen kochen, sondern muss sich miteinander absprechen und dafür sorgen, dass das Glossar stets auf dem neuesten Stand ist und beachtet wird.

Dauerlauf

Insbesondere bei größeren Titeln oder Onlinespielen sitzt man gern mal über Wochen oder gar Monate an ein und demselben Projekt. Es kommen immer wieder neue »Batches«, in denen teilweise auch ältere Texte umgeschrieben werden oder gegen Ende der Entwicklung Fehlerkorrekturen anstehen, die man umsetzen muss. Wenn man ein Projekt allein bearbeitet, sollte man es möglichst bis zum bitteren Ende betreuen – schließlich kennt niemand die übersetzten Texte besser, und man hat sich ja über die Zeit auf das Spiel eingestimmt.

Frusttoleranz

Nicht jeder Auftraggeber ist spielebegeistert; viele Agenturen haben Gaming-Projekte nur als eines von vielen Fachgebieten im Angebot, sodass die PMs manchmal nur die notwendigsten Dateien schicken, obwohl sie durchaus noch andere hilfreiche Hintergrundinformationen parat hätten. Daher: Immer nachfragen, ob es noch mehr Infos gibt.

Aber auch Entwickler sind nicht immer hilfsbereit. Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass man einen Fragenkatalog schickt, weil sich manches nun einmal nicht aus dem Kontext erklärt oder eines der o.g. Probleme vorliegt, und dann bekommt man als Antwort »Translate as is« oder gar »I don‘t know«. Oder es gilt, Untertitel für ein Video zu übersetzen, man bekommt jedoch nur die Texte und darf sich selbst ausmalen, was wohl zu sehen ist.

Darüber hinaus kann es ebenso frustrierend sein, Texte zu lokalisieren, bei denen es sich bereits um eine schlechte Übersetzung handelt, die in unzähligen Einzeldateien geschickt werden oder als oben erwähnte alphabetisch sortierte Exceldatei zu bearbeiten sind. Oftmals muss man sich auch noch mit zahlreichen rätselhaften Variablen herumschlagen, um die man zuweilen notdürftig herumübersetzt, weil sich nicht erschließt, ob es sich hierbei um einen Monster-, Orts-, Gegenstands- oder NPC-Namen handelt.

Auch die Hoffnung, das Spiel irgendwann mal zu Gesicht zu bekommen, sollte man sich als Übersetzer gar nicht erst machen. Äußerst selten erhält man Screenshots oder Charakterstudien, und die wenigen Male, die ich tatsächlich vor oder während der Übersetzungsphase eine Betaversion anspielen durfte, kann ich an einer Hand abzählen.

Nach all der Arbeit ist es letzten Endes allerdings ein tolles Gefühl, vor einem Spiel zu sitzen und die Texte, für die man einiges an Hirnschmalz investiert hat, auf dem Bildschirm zu sehen oder aus dem Mund der Synchronsprecher zu hören …

Kerstin Fricke lebt und arbeitet in Berlin, wo sie Bücher, Comics und Computer-/Videospiele aus dem Englischen übersetzt oder lektoriert und somit ihre Hobbys zu ihrem Beruf gemacht hat. Mehr über ihre Arbeit findet man auf ihrer Webseite www.kf-uebersetzungen.de, während sie auf lass-den-wookie-gewinnen.de aus ihrem Arbeitsalltag plaudert und allerlei Nerdkram postet.

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