Was kommt auf DolmetscherInnen zu?

Man diskutiert derzeit viel über die Zukunft unseres Berufes: Ersetzt bald die künstliche Intelligenz uns Dolmetscher? Werden Konferenzteilnehmer in absehbarer Zukunft statt einer menschlichen eine automatische Google-Translate-Stimme in ihren Kopfhörern hören? Und wie lange dauert es noch, bis Vorträge und Podiumsdiskussionen mittels neuronaler Netze gedolmetscht werden? Der technologische Wandel vollzieht sich derzeit fast überall und man kann ihn nicht stoppen – auch im Bereich Mobilität. Und für die Branche gilt es genauso wie für Sprachprofis – statt neue Entwicklungen zu leugnen, sollte man sie vielleicht lieber beherrschen und zum eigenen Nutzen machen?

Überblick: aktuelle Trends im Automobilbereich

In seiner Studie von 2017 hat der PwC-Verbund das Auto der Zukunft folgendermaßen beschrieben:

“Das Auto der Zukunft ist electrified, autonomous, shared, connected und yearly updated”

PwC-Verbund, 2017

Aus dieser Beschreibung wird schon die erste Konsequenz für DolmetscherInnen klar: Die Sprache der zukünftigen Mobilität ist mit großer Wahrscheinlichkeit Englisch, obwohl die wichtigsten Technologien für die Branche nicht unbedingt aus dem englischsprachigen Raum kommen. Das bedeutet nicht, dass Englisch in der Branche eine Art lingua franca ist und dass jeder Werkstattmitarbeiter es beherrscht. Trotzdem heißt es für DolmetscherInnen: Die Grundterminologie müssen wir auf Englisch beherrschen. Ein schönes Glossar zum Start ins Thema findet man bei zukunftsInstitut.

Terminologie alleine bringt uns aber nichts, wenn wir die Megatrends und einzelne Prozesse nicht verstehen. Daher schauen wir uns einige Tendenzen in der Mobilität der Zukunft näher an.

1. Autonomes oder automatisiertes Fahren und Systeme zum Unterstützen (und Bespaßen) des Fahrers

Das Ziel der Autoindustrie heißt “Level 5 des Autonomen Fahrens bis 2025” – was bedeutet, dass das Auto sich bald komplett ohne Steuerung von menschlicher Seite bewegen soll.

Allerdings: Bis es soweit ist, müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden:

  • Technik: die Sensorik muss genau, schnell und sicher gegen Störungen sein. Eine große Rolle spielen dabei Datenverbindungen und Datenverarbeitung (“data is the new fuel”) sowie neue Software und Programme.
  • Infrastruktur: für autonome Autos braucht man neue Fahrbahnmarkierungen und Verkehrszeichen sowie Ladestationen.
  • Rechtlicher Rahmen – last but not least: es muss über Entscheidungsalgorithmen und Haftung diskutiert werden. Einen sehr interessanten Beitrag von Professor Dr. Oliver Bendel dazu findet man hier.

Demnächst kann ein autonom fahrendes Auto seinem Besitzer (oder Mieter) mehr als eine einfache Fortbewegung anbieten: Enter- und Infotainment (Filme, Audiobücher etc.) oder eine Möglichkeit, den Haushalt unterwegs zu erledigen sowie schnell die Route oder Verkehrsmittel zu wechseln – dank Vernetzung.

2. Vernetzte Mobilität (Connected Mobility)

Smart Home ist etwas, woran man sich heutzutage mehr und mehr gewöhnt: das Licht ein- und ausschalten, Saug- und Wischroboter starten lassen und vieles mehr – alles geht im Nu per Handy und dank Apps.

Auch viele DolmetscherInnen arbeiten bereits gerne mit dem Konzept Vernetzung: Glossare werden zu Hause auf dem PC oder einem Laptop erstellt und in eine Cloud geschickt, die man mit Kollegen teilt. In der Kabine greift man dann blitzschnell über ein Laptop oder ein Tablet auf Unterlagen und Termini zu; Dokumente, die man in der letzten Minute bekommt, können mit dem Smartphone eingescannt und direkt auf den Laptop-Bildschirm geschickt werden.

Was heißt aber Vernetzung im Automobilbereich? Das sind zum Beispiel Carsharingdienste, Charging Services (Ladestation suchen und buchen per App) oder Parkplatzfinde- und Bezahlsysteme, die man mit einem Klick aufrufen kann. Aber es gehören auch vernetzte Autowerkstätten mit großen Datenbanken dazu, in denen die Infos zu jedem Fahrzeug, seinen Reparaturen und Einzelteilen gespeichert werden, so dass jede Werkstatt, die dem System angehört, darauf zugreifen kann.

Allerdings ist die vernetzte Zukunft der Mobilität nicht nur rosig, denn es gibt auch Risiken, die mit der Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten einhergehen: Der Kunde von solchen vernetzen Mobilitätsdiensten ist der Gefahr ausgesetzt, ein “gläserner Kunde” zu werden, dessen Routen zurückverfolgt und eventuell illegal von Werbungsanbietern oder sogar Kriminellen benutzt werden könnten.

3. Neue Antriebstechnologien: Elektro, aber nicht nur

Das, was die Mobilität der Zukunft wahrscheinlich am meisten ausmacht, ist die neue Art und Weise, wie die Fahrzeuge angetrieben werden. Hier gibt es neben bereits gut bekannten reinen Elektroantrieben auch andere Möglichkeiten: mehr dazu findet man z. B. hier.

Dazu kommt noch ein besonderes und ganz innovatives Thema: die Brennstoffzelle, deren Funktionsprinzip in diesem kurzen Video gut erklärt wird.

Zum Schluss noch ein paar Tipps und Links

Wer noch tiefer ins Thema einsteigen und die Kenntnisse der Theorie vertiefen will, für den empfiehlt sich neben einer Reihe kostenloser Videos auf Youtube eine Fortbildung zum Thema Mobilität der Zukunft, die ab und zu unter anderem von verschiedenen Übersetzer- und Dolmetscherverbänden angeboten wird. 

Was tun aber, wenn der Auftrag eher kurzfristig reinkommt und man nicht so viel Zeit zum Vorbereiten hat? Der sinnvollste Weg wäre wohl, sich vom Abstrakten zum Konkreten zu bewegen und zuerst die grundlegenden Theoriefragen abzuarbeiten (Verbrenner vs Elektro, Aufbau einer Batterie etc.), bevor man sich sofort den Kopf darüber zerbricht, was sich hinter dem Begriff „Platooning“ verbirgt.  

Eine große und schnelle Hilfe leisten außerdem die uns gut bekannten Paralleltexte – entsprechende Artikel auf Wikipedia in allen Arbeitssprachen schnell zu überfliegen und passende Termini rauszusuchen, kostet nicht viel Zeit. Sehr empfehlenswert sind auch die Homepages und Kataloge von großen Zulieferern, die bereits in viele Sprachen übersetzt sind. Hier gibt es noch einen zusätzlichen Vorteil – man lernt die echte Terminologie der Branche, seines Kunden und der Kunden seines Kunden. 

Nützlich ist auch, eigene Erfahrung einzubeziehen: einen Führerschein zu besitzen, ist nicht nur gut, um zum Einsatzort zu kommen, an dem man über die Zukunft der Mobilität dolmetschen wird (nicht selten sind es abgelegte Standorte entlang der Autobahn). Ein Führerschein nutzt auch dem Grundverständnis – wie funktionieren ein Auto und das Verkehrssystem überhaupt? Das alles lernt man im Rahmen der Vorbereitung auf die theoretischen und praktischen Prüfungen in der Fahrschule.

Zum Schluss noch ein paar Links für die, die sich auf dem Laufenden halten wollen, was die Future Mobility angeht: man kann den Newsletter der Nationalen Plattform Mobilität abonnieren, regelmäßig das Portal Zukunft Mobilität checken oder sich den brandneuen Podcast der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE) anhören.

DVÜD-Gastautorin Mariia Siemer studierte Übersetzen und Dolmetschen in Moskau und kam 2013 nach Heidelberg, um eine zusätzliche Qualifikation als Konferenzdolmetscherin zu erwerben. Derzeit promoviert sie in der Dolmetschwissenschaft am Institut für Übersetzen und Dolmetschen an der Universität Heidelberg und ist als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin für Russisch (A), Deutsch (B) und Englisch (C) tätig.

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