Gastbeitrag von Marta Pagans

Für dich hat sich nicht viel verändert, oder? Du hast schon immer von zu Hause aus gearbeitet …

Diese Behauptung habe ich mir in letzter Zeit öfter anhören müssen und sie regt mich immer wieder auf. Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch. Anstatt mit einer pampigen Bemerkung, antworte ich deswegen lieber mit einem müden Lächeln. Müde lächeln kann ich gut. Müde sein auch. In letzter Zeit hatte ich öfter Gelegenheit dazu. Trotzdem will ich hier nicht jammern. Die letzten 12 Monaten hatten viel Gutes für mich parat. Nein, nicht trotz Pandemie, sondern gerade deswegen.

Eine Entscheidung war nötig

Als Mitte März 2020 die Pandemie in Deutschland ausbrach, mein Mann zum Homeoffice verdonnert wurde und die Schulen unserer drei Töchter für unbestimmte Zeit schlossen, war mir eins ganz schnell klar: Entweder eins von uns Erwachsenen reduziert jetzt drastisch seine Arbeitszeiten und kümmert sich allein um den Extraaufwand, oder wir packen diese Herausforderung als Familie gemeinsam an.

Wir haben uns für Letzteres entschieden. Nein, einfach war das nicht. Wir mussten uns dafür noch straffer organisieren und noch mehr disziplinieren, als wir es ohnehin schon taten. Es gab vieles zu besprechen und viele Aufgaben zu verteilen. Eines war überlebensnotwendig: wir mussten unsere Ansprüche (insbesondere meine) an vieles radikal herunterschrauben.

Ich war für vieles dankbar. Dankbar, dass wir zu zweit waren, dass unsere Mädels weder in der Krippe, im Kindergarten noch in einer Abschlussklasse waren, dass sie keine übermäßige Unterstützung für die Schule brauchten, dass mein Mann keinen systemrelevanten Job in Schichtarbeit hatte … Das hat das Ganze um einiges erleichtert. Anstrengend war es trotzdem. Immer wieder aufs Neue.

Trotz Absprachen und fester Struktur waren manche Momente zu fünft zu Hause wirklich zäh. Das habe ich mittlerweile recht gut verdrängt. (Allein die Müdigkeit ist übriggeblieben). Wenn mir alles zu viel war, habe ich mir meinen Hund geschnappt. Dieses Jahr war ich sehr oft und sehr lange allein Spazierengehen. Jede Sekunde der Stille habe ich dabei genossen.

Ach, die Stille. Die fehlende Stille war sicherlich die größte Umstellung für mich, und nicht mehr im Haus alleine zu sein. Dabei brauche ich die Stille und das Ungestörtsein, um mich konzentrieren zu können. Da half oft nur zu unmenschlichen Zeiten aufzustehen oder nach den Ohrenstöpseln zu greifen …

Wie sah es bei mir beruflich aus?

Marketing, Werbung, Kultur und audiovisuelle Medien − meine bisherigen Fachgebiete sind sehr krisenanfällig. Mir war es schnell klar, dass sich die Coronapandemie ganz schlecht auf meine Auftragslage auswirken würde. Und ich hatte leider recht. Meine Kunden fielen zuerst in eine Schockstarre. Danach hieß es: Sparen an allen Ecken und Enden. Ganz ehrlich − ich kann sie ganz gut verstehen.

Oder wie oft hast du dir im letzten Jahr ein hübsches Schmuckstück, eine teure Uhr oder ein schickes Kleid gegönnt? Wie oft warst du im Museum oder im Kino? Eben!

Das liebe Geld

Es kam eine Auftragsflaute, wie ich sie in meinen 20 Jahren Selbständigkeit noch nie erlebt hatte. Ich war aber zum Glück, dafür recht gut vorbereitet. In den Jahren davor hatte ich es endlich geschafft, meine Finanzen in den Griff zu bekommen. Ich hatte ein finanzielles Polster, das für ein paar Monate reichen sollte. Fixkosten hatte ich gut im Blick. Das Geld für anstehende Steuervorauszahlungen und die Umsatzsteuer war in einem Extrakonto zur Seite gelegt. Schon Mitte März habe ich mich für eine radikale Kostenrazzia entschieden. Sparen war an allen Fronten angesagt.

Als nach ein paar Monaten die Aussichten immer düsterer wurden, habe ich einen Antrag auf Soforthilfe gestellt und bewilligt bekommen. Dagegen hatte ich mich lange gesträubt. Ich wollte es doch alleine schaffen. Irgendwann musste ich einsehen, dass es nicht ging.

Meine Fixkosten sind, wie bei vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, sehr überschaubar. Die Ausgaben von einer fünfköpfigen Familie aber nicht zu unterschätzen. Als Soloselbständige in Baden-Württemberg stand mir ein Unternehmerlohn zu. Würde ich 20 Kilometer weiter weg wohnen, in Hessen oder in Rheinland-Pfalz, wäre ich leer ausgegangen. Diese für mich nicht nachvollziehbare Ungerechtigkeit hat mich lange beschäftigt.

Netzwerken, Schreiben, Sichtbarkeit …

Der erste Lockdown ist mir als eine Zeit intensiven Netzwerkens in Erinnerung geblieben. Der Austausch mit Gleichgesinnten − ob am Telefon, per Mail, oder per Zoom-Treffen − tat mir jedes Mal richtig gut. An meiner Sichtbarkeit habe ich auch fleißig gearbeitet. In den sozialen Medien war ich sehr aktiv.

Ich habe auch unheimlich viel geschrieben − für Fachzeitschriften, einige Kolleginnen, meinen Blog und meinen Newsletter. Worüber habe ich geschrieben? Über alles Mögliche. Zum Beispiel darüber, wie ich meine Nische (nicht) fand. Oder mit welchen Strategien ich meine Gute Laune im Homeoffice aufrechterhalte. (Dazu kannst du dir übrigens eine Checkliste als kleine Erinnerungshilfe kostenlos herunterladen.) Zwischendurch habe ich mehrere Kolleginnen und Kollegen gefragt, was für einen Ausgleich sie zu ihrem Beruf gefunden haben. Einmal im Monat habe ich meine „Inspirationskiste“ befüllt und losgeschickt. Die schönen Rückmeldungen dazu haben mich immer auf Neues motiviert weiterzumachen. Wenn du neugierig bist, kannst du dich hier für meinen Newsletter anmelden. So, Werbeblock zu Ende! 😉

Weiterbildung in SEO

Ich habe die Zeit auch genutzt, um mich in SEO weiterzubilden. Mein Ziel: eines Tages zusätzlich zur Transkreation auch Suchmaschinenoptimierung anzubieten. Das heißt, Werbetexte so zu übersetzen, dass sie sowohl die Menschen wie die Maschine ansprechen. Ein schöner Nebeneffekt: alles was ich über SEO lerne, kann ich auf meiner eigenen Website auch umsetzen.

Die kostspielige Weiterbildung, mit der ich geliebäugelt hatte, kam leider nicht mehr in Frage. Stattdessen habe ich einen erstaunlich guten Onlinekurs gefunden. Dazu kamen viele Blogartikel und mehrere kostenlose Webinare. Ich habe mir meine Weiterbildung auf eigener Faust nach und nach zusammengewürfelt … Unter anderen Umständen hätte ich das als komplett ineffizient empfunden. An Zeit mangelte es mir aber nicht.

Zeit. Wirklich viel Zeit. Das war die einzige Konstante in diesen sehr skurrilen Monaten. Im Nachhinein betrachtet war das für mich entscheidend. Mir war es schon lange bewusst, dass ich ein weiteres Fachgebiet brauche. Ob SEO als Zusatz zu der Transkreation allein ausreichen würde? Das war mir leider nicht so klar.

Ein zweites Standbein

Wäre ein zweites zusätzliches Standbein auf Dauer nicht sinnvoller? Wäre es nicht vielleicht nett, mich zur Abwechslung mit etwas anderen als mit Texten zu beschäftigen? Zumindest zeitweise? Um in Ruhe darüber nachzudenken und es eventuell in Gang zu setzen, brauchte ich Zeit. Diese Zeit hat mir ausgerechnet die Pandemie geschenkt!

Ich nutzte die Gelegenheit, um mich zu fragen: Wo stehe ich? Was kann ich? Wo will ich hin? Ein paar Monaten zuvor hatte mir jemand einen Floh ins Ohr gesetzt: „Marta, mit deiner Erfahrung und deiner Art, könnte ich mir dich als Mentorin, Beraterin oder Coach prima vorstellen …“ In der Tat begleitete ich schon seit 2018 ehrenamtlich eine Mentee. Diese Kollegin unterstützen zu können und sie in sehr kürzer Zeit wachsen zu sehen, war eine äußerst bereichernde Erfahrung für mich.

So hat sich bei mir nach und nach ein Wunsch herauskristallisiert. Ich will Kolleginnen und Kollegen helfen, die gerade feststecken, und zwar in Bereichen, die mir schon immer lagen (Kreativität, Texten, Netzwerken, Social Media …), und in Bereichen, bei denen ich lange an mich arbeiten musste (Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein, Selbstmanagement, Produktivität …).

So habe ich Ende 2020 im Blog und auf der Website stolz angekündigt: „Liebe Übersetzerkollegin, lieber Übersetzerkollege, ab jetzt stehe dir mit Rat und Tat zur Seite!“ Für mich fühlt sich das Ganze wie ein vielversprechender Neuanfang an. Ja, Corona wird uns noch eine ganze Weile begleiten und einiges wird sich noch ändern (müssen). Trotzdem bin ich fest entschlossen zuversichtlich zu sein. Wie sagt man so schön? In jeder Krise steckt eine Chance. Diese Chance will ich ergreifen.

Und was ist mit der Müdigkeit? Tja … Wenn das Wetter endlich schöner wird, ich im Sommer ein bisschen Urlaub bei meinen Eltern in der Nähe von Barcelona machen darf und danach die Schule halbwegs normal startet, wird die Müdigkeit ganz schnell wieder vergessen sein. Das will ich zumindest hoffen. Drückst du mir bitte, bitte ganz fest die Daumen?

Porträtfoto Marta PagansBildrechte: Marta Pagans

DVÜD-Gastautorin Marta Pagans hat im Jahr 2000 ihr Studium in Übersetzen und Dolmetschen (DE, EN>ES, CA) an der Universitat Autònoma de Barcelona abgeschlossen. Als freiberufliche Übersetzerin hat sie sich auf das Kreative spezialisiert – zuerst hauptsächlich im Bereich Dubbing. Später kamen Marketing, Werbung und PR bzw. Transkreation dazu. Als Beraterin unterstützt sie Kolleginnen und Kollegen, die gerade irgendwo feststecken. Sie begleitet sie von der Ideenfindung bis zur Umsetzung. Denn Ideen sind ihre Spezialität, und Dranbleiben musste sie auch erstmal lernen.

Website, Blog und Newsletter unter marta-pagans.com

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