Re:connect, so lautete das Motto der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt. Nachdem die Messe im letzten Jahr nur digital stattgefunden hatte, hatte die Sprach- und Buchwelt während der fünf Messetage erstmals wieder die Möglichkeit, das Netzwerken im großen Stil aus dem virtuellen zurück ins echte Leben zu verlagern.

Pro und Contra Messebesuch

Ich habe hin- und her überlegt, ob ich die Gelegenheit wahrnehmen soll. Zumal schnell klar war, dass mich eine ganz andere Art von Messe erwarten würde, als es noch 2019 der Fall gewesen wäre. Viel kleiner, viel heimeliger und digitaler (302.267 Besucher:innen und 7450 Austeller:innen – 2019  [Quelle] vs. 73.500 Besucher:innen und 2013 Aussteller:innen – 2020 [Quelle]. In der Tat fand ich das Messetreiben vor Ort sogar noch viel beschaulicher, als ich es viele Male in Leipzig erlebt hatte.

Außerdem zeichnete sich schnell ab, dass ich kaum mir bekannte Gesichter auf der Messe sehen würde, eben weil der Messebesuch dieses Jahr noch unter uns allbekannten besonderen Vorzeichen stand. So hatte sich beispielsweise eine mir vertraute Verlagsgruppe aufgrund der bestehenden Unsicherheiten zwecks Planungssicherheit schon Anfang des Jahres dazu entschieden, alle Lizenzverhandlungen online zu führen, was bedeutete, dass die Lektor:innen zu Hause am Schreibtisch saßen und nicht in den Glaskuben, von denen sie sonst direkt in die Messehallen blicken können.

Ganz klar ein Minuspunkt für mein eigenes Abwägen. Auf der Plusseite habe ich für mich aber festgestellt, dass ich so einen völlig unverplanten Tag auf der Messe verbringen könnte und unter der Voraussetzung, dass ich sowieso nur einen Tag Zeit für den Besuch hätte, das vielleicht auch gar nicht so schlecht wäre, um einen ersten Eindruck vom Frankfurter Messetrubel zu bekommen.

Buchmesse 2021

So saß ich eine Woche später im Zug nach Frankfurt. Und natürlich wurde dank eiligem Auftrag aus meinen ursprünglich geplanten sieben Stunden auf dem Messegelände nur knapp drei. Dafür konnte ich unterwegs feststellen, dass im ICE inzwischen tatsächlich auf das WLAN Verlass ist und auch die Steckdosen funktionieren und dass 3G dazu beiträgt, dass einem im Bahnhofscafé nicht alle Welt beim Arbeiten über die Schulter schaut.

Meine Frage, was ich denn nun zuerst anschauen könnte, konnte ich mir aufgrund der Kürze der Zeit nun auch ganz schnell beantworten. Zeitdruck steigert bekanntlich (zwangsweise) die Effektivität. Mich führte mein Weg so geradewegs in die Messehallen 3.0 und 3.1 zu allerhand Literatur und Sachbüchern.

Da ich mit niemandem verabredet war, konnte ich einfach von Stand zu Stand schlendern und entschied mich letztendlich die knappe Zeit noch dazu nutzen, mir gezielt zwei Veranstaltungen anzuschauen. Neben den persönlichen Kontakten und sämtlichen Buchneuvorstellungen sind es ja die vielen Vorträge und Podiumsdiskussionen, die die Messe zu einem Erlebnis machen.

Begegnungen und Diskussionen

Auf einer der kleineren Bühnen unterhielten sich der Verleger Sebastian Guggolz und der Übersetzer Paul Berf über „Deutscher Herbst“, eine Sammlung von Reisereportagen. Der junge Stig Dagerman berichtet darin, wie er selbst in seinen 20ern das Leben im Nachkriegsdeutschland kennengelernt und was er auf seiner Reise durch die amerikanische und britische Besatzungszone so alles erlebt hat. Für mich als Zuhörerin und bald auch gewiss als Leserin war besonders spannend zu erfahren, welchen Eindruck die Menschen, denen er auf seiner Reise begegnet, und ihr Leben bei ihm hinterlassen haben.

Messestand auf der Buchmesse 2021, Verleger Sebastian Guggolz und Übersetzer Paul Berf an den Mikrofonen
Gespräch zwischen Verleger und Übersetzer auf der Frankfurter Buchmesse 2021 (Foto: Judith Wenk)

Ich selbst kannte Sebastian Guggolz und seinen kleinen, sehr feinen Verlag schon aus unserer gemeinsamen Arbeit an den Berliner Korrespondenzen (erschienen im Nicolai-Verlag). Allen, die ihn noch nicht kennen und ein Faible für Literatur aus Nord- und Osteuropa aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben, kann ich seinen Verlag wärmstens empfehlen. Und wer wissen möchte, was seine Herangehensweise von denen anderer Verlage unterscheidet und warum er schon zwei Jahr nach Gründung mit der Übersetzerbarke ausgezeichnet wurde, kann sich dies von ihm in Folge 13 vom Podcast Überübersetzen – eine weitere Herzensempfehlung – und Dr. Yvonne Griesel selbst erzählen lassen.

Sprachentwicklung im Deutschen

Zu guter Letzt entschied ich mich dazu, noch einen Abstecher in die große Festhalle zu machen, wo um 16:00 Uhr ein Thema diskutiert wurde, was im letzten Jahr auch medial und in den sozialen Netzwerken – so mein persönlicher Eindruck – immer mehr in den Fokus rückt: „Gendern. Wie Sprache elegant für alle gelingt“. Die Runde widmete sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven. Die Sicht und Rolle der Duden-Redaktion wurden erörtert, aber auch die Frei- und Spielräume für die Arbeit mit der Sprache im Rahmen der journalistischen Tätigkeit im Vergleich zum Alltagsgeschäft der Nachrichtenredaktionen und den damit verbundenen Aufgaben der Nachrichtenagenturen sowie der Standpunkt eines Verlags im Zusammenspiel mit Autor:innen wurden diskutiert. Die Diskussion ebenso wie alle anderen Veranstaltungen auf der ARD-Bühne kann man sich übrigens auch jetzt noch gemütlich von zu Hause aus anschauen.

Wieder zu Hause angekommen kann ich Folgendes sagen: (1) Ich werde wieder hinfahren und (2) mir dafür auf jeden Fall mindestens zwei Tage Zeit nehmen. Einen Tag fürs Schlendern, mich treiben lassen und lauschen, und einen für Verabredungen sowie gezielte Fortbildung. Oder auch beide Tage gemischt, aber so viel Zeit insgesamt muss sein. Vorher geht es im Frühjahr 2022 aber erst einmal wieder nach Leipzig.

DVÜD-Autorin Judith Wenk lebt in Dresden und übersetzt Texte aus der Wirtschaft für die Wirtschaft sowie Publikationen und Sachbücher aus dem Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Ihre Arbeitssprachen sind Deutsch und Englisch. In ihrer Familie wird zum Teil auch Sorbisch gesprochen und im Urlaub manchmal auch Französisch. Seit 2021 ist sie Mitglied im DVÜD-Beirat.

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