In den vergangenen Tagen machten zwei Pressemitteilungen (s. u.) die Runde und sorgten für viel Gesprächsstoff. Vor allem in unserer Branche. Zum Thema durfte ich ja bereits einen der Übersetzer telefonisch sprechen. Das Interview findet ihr hier. Das Thema ist noch immer die Übersetzung der Steve Jobs Biografie, erschienen im C. Bertelsmann Verlag.
Pressemitteilung des BDÜ Landesverbandes in Sachsen und eine weitere Pressemitteilung auf Heise: Silikon und Sprengstoff: Übersetzungsfehler in der Jobs Biografie.
Dazu durfte ich dem Verlagsleiter Johannes Jacob einige Fragen per Mail stellen. Ihm vielen Dank für die Zeit, die er sich genommen hat.
Ich schreibe an dieser Stelle jetzt gar nicht viel dazu. Lest einfach selbst.
DVÜD: Beschreiben Sie Ihre Rolle in diesem Projekt
Jacob: Als Verlagsleiter des C. Bertelsmann Verlags habe ich das Recht eingekauft, dieses Buch im deutschsprachigen Raum zu veröffentlichen. Als die Veröffentlichung der amerikanischen Originalausgabe kurzfristig vorgezogen wurde, habe ich auch die Vergabe der Übersetzung koordiniert.
DVÜD: Sind Honorar und Beteiligung des Übersetzers wirklich bedeutende Kostenstellen bei Verlagen (und wenn manchmal ja, bei welcher Art von Büchern und bei welchen nicht)?
Jacob: Bei Büchern mit geringer Auflage ist das Honorar des Übersetzers ein gewichtiger Posten. Bei Büchern mit hoher Auflage hat sich diese Bedeutung früher relativiert; seit wir eine prozentuale Beteiligung der Übersetzer haben, spielt diese auch bei der Kalkulation von Bestsellern eine größere Rolle.
DVÜD: Inwieweit ist die Qualität einer solchen Übersetzung [sic. Im Hinblick auf die Steve Jobs Autobiografie] für die Verkaufszahlen relevant? Bis auf diejenigen, die das Buch lieber auf Deutsch lesen würden, aber auf eine andere Sprache ausweichen können, hat der Verlag ja ein Monopol.
Jacob: Die Qualität der Übersetzung ist grundsätzlich für den Verkauf jedes Buches relevant. Wie man bei der Biografie von Steve Jobs gesehen hat, haben die Leser heute vielfältige Möglichkeiten, sich darüber auszutauschen und das Lese- und Kaufverhalten zu beeinflussen. Außerdem beurteilen häufig die Rezensenten diese Qualität, was nicht ohne Wirkung bleibt.
DVÜD: Sparen die Einkäufer bei Verlagen ein paar hundert bzw. tausend Euro, um tausende bzw. zehntausende dadurch zu verlieren, oder ist aus Verlagssicht eigentlich alles in Ordnung? (Hintergrund dieser Leserfrage: Wäre ein ordentliches Lektorat in diesem Falle wirklich so teuer gewesen?)
Jacob: Gerade mit Blick auf diese Biografie kann ich sagen: Wir haben weder beim Übersetzerhonorar noch bei dem des Lektors gespart, was in der Tat mit Blick auf das vorher zur Bedeutung der Übersetzungsqualität Gesagte auch falsch gewesen wäre. Wir haben wegen des ungeheuren Zeitdrucks bei diesem Buch sogar einen Zweitlektor als Korrektor eingesetzt (zusätzlich zu den Korrekturlesern) sowie einen Fachgutachter. Kosten haben wir also nicht gescheut – im Gegenteil.
DVÜD: Nach welchen Kriterien sucht sich ein Verleger seine sprachmittlerischen Dienstleister aus?
Jacob: Wir fangen bei der Übersetzerauswahl ja nicht bei Null an, sondern arbeiten seit vielen Jahren mit einem Stamm an erfahrenen Übersetzern zusammen, die im Sachbuchbereich jeweils bestimmte Themenfelder als Spezialgebiete haben.
DVÜD: Gibt es hierzu im Hause Random/Bertelsmann ein vorgegebenes Prozedere? Wenn ja, hat sich dieses bewährt?
Jacob: Nein, das gibt es nicht, jeder Lektor wählt nach seiner Arbeitserfahrung den ihm passenden Übersetzer aus, wobei er sich mit Kollegen bespricht und Erfahrungen austauscht.
DVÜD: Was empfinden Sie persönlich, wenn Sie z. B. o. g. Pressemitteilungen lesen?
Jacob: Es steht wohl außer Frage, dass ich mich über die genannten Fehler in der Übersetzung geärgert habe.
DVÜD: Wer trägt letztendlich, aus Ihrer Sicht, die Verantwortung für das Ergebnis solcher Projekte?
Jacob: Alle, die an der Bearbeitung dieses Buches gearbeitet haben, tragen daran ihren Teil der Verantwortung. Die Gesamtverantwortung liegt natürlich bei mir.
DVÜD: In wie weit wirkt sich der E-Book-Markt auf die Prozesse bei einem Verlag aus? Werden eventuelle Umsatzdefizite „nach unten“ weitergegeben?
Jacob: Der E-Book-Markt spielt bei diesen Prozessen in unserem Verlag keinerlei Rolle.
DVÜD: Was können Übersetzer Ihrer Meinung nach beitragen, um solche Ergebnisse zu vermeiden?
Jacob: Ich denke, dass die Übersetzer das selbst viel besser wissen als ich, deshalb steht es mir nicht an, ihnen Ratschläge zu erteilen.
“Jacob: Gerade mit Blick auf diese Biografie kann ich sagen: Wir haben weder beim Übersetzerhonorar noch bei dem des Lektors gespart, was in der Tat mit Blick auf das vorher zur Bedeutung der Übersetzungsqualität Gesagte auch falsch gewesen wäre. Wir haben wegen des ungeheuren Zeitdrucks bei diesem Buch sogar einen Zweitlektor als Korrektor eingesetzt (zusätzlich zu den Korrekturlesern) sowie einen Fachgutachter.”
So ehrenwert die öffentlich geäußerte “Gesamtübernahme der Verantwortung” durch Herrn Jacob auch ist, zweifele ich doch sehr an obiger Darstellung! Oder anders gesagt: Ich glaube das hier Gesagte einfach nicht…! Für wie naiv hält der Verlagsleiter uns eigentlich? Die einzige Schlussfolgerung, die sich für mich daraus ergibt: Die engagierten “Fachleute” waren wohl doch unterbezahlt oder von einem anderen “Fach” (Religionswissenschaft?) und/oder ihrer “Schnellschuss”-Aufgabe aus diversen anderen Gründen ganz offensichtlich leider nicht gewachsen! (Ich bin selbst vom Fach, daher erlaube ich mir ausnahmsweise diese etwas apodiktische Rede.) War überhaupt ein/e einzige/r qualifizierter Fachübersetzer/in hier mit am allzu schnellen Werke? Welchen beruflichen Hintergrund hat der erwähnte “Fachgutachter” genau? Mit ihrem Talent für gelungene (???) “Schnellschüsse” werben nämlich der Tübinger VerlagsService Dr. Mihr sowie die ebenfalls dort ansässige Agentur “seitenweise” (nachzulesen auf den jeweiligen HP), die das Biografie-Projekt ja wohl für Bertelsmann gestemmt haben. Angesichts des katastrophalen Ergebnisses im vorliegenden Falle liest sich diese Selbstanpreisung für einen Außenstehenden besonders bitter!
Wie sagte man doch dereinst so schön: “Gut’ [sic!] Ding will Weile [sic!] haben!” An dieser Tatsache hat sich m. E. trotz der in der Verlagsbranche leider immer mehr um sich greifenden Schnellschussmentalität mit all ihren negativen Auswirkungen auch auf die Übersetzer/innen und ihre Werke bis heute eigentlich nichts geändert, wie an diesem Negativbeispiel auch hervorragend zu beobachten ist…. Wer hat denn den von Herrn Jacob erwähnten “Zeitdruck” erzeugt bzw. gebilligt, vielleicht sogar noch forciert…? Und aus welchem Grunde wohl? Dreimal darf man raten!
Nein, Herr Jacob! Ihr Haus steht hier gar nicht gut da! Sic transit gloria mundi… Mit erzürnt-bekümmerten Grüßen
PS Mein Dank geht an Frau Quintieri sowie den DVÜD für die Verfolgung dieses wichtigen Themas sowie die Veröffentlichung der Interviews!