Im ARD-Report-Bericht: „Verrat im Flüchtlingsheim: Wenn Übersetzer falsch übersetzen“ (abrufbar bis 4. Mai 2017 in der Mediathek) geht es um Schwierigkeiten mit Dolmetschern, die bewusst falsch dolmetschen. Wie kommt es zu solchen Vorfällen?
Justizdolmetscher im Einsatz
Im Grunde sind die Zuständigkeiten klar geregelt: Im Asylverfahren werden öffentlich bestellte und vereidigte Berufsdolmetscher hinzugezogen, die ihre Qualifikation nachgewiesen haben, beispielsweise durch
- ein einschlägiges Studium oder Aufbaustudium
- eine staatliche Prüfung, bezogen auf das Fachgebiet wie z.B. Rechtswesen, Naturwissenschaft oder Wirtschaft
- ein Zertifikat zum Nachweis sicherer Kenntnisse der deutschen Rechtssprache (Prüfung nach mehreren einschlägigen Kursen und Selbststudium)
Diese Dolmetscher sind zu Verschwiegenheit, Neutralität und korrekter Arbeit verpflichtet. Sie sind in der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank von Bund und Ländern eingetragen und werden nach dem Justizvollzugsentschädigungsgesetz als „Sachverständige“ entlohnt.
Die schnöde Wirklichkeit
Interessante Hinweise gibt eine Anzeige des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das freiberufliche Dolmetscher in dringend benötigten Sprachen wie Arabisch, Farsi, Dari und Kurdisch sucht. Die Qualifikationskriterien für Dolmetscher, die im Asylverfahren eingesetzt werden, wenn es um die Fluchtgründe gibt, sind erstaunlich niedrig. Erwartet wird unter anderem:
- Sprachsicherheit in Wort und (gewünscht, aber nicht zwingend notwendig) Schrift
Eine nachweisliche Qualifikation des Dolmetschers im Sinne einer schriftlichen Prüfung ist für ein rechtsstaatliches Verfahren beim BAMF also nicht zwingend erforderlich.
- Sprachkenntnis zu rechtlichen/medizinischen Begrifflichkeiten (gewünscht, aber nicht zwingend notwendig)
Der Dolmetscher muss diese Begriffe demnach weder auf Deutsch noch in der Sprache des Flüchtlings beherrschen; dennoch gelten alle Aussagen als rechtssicher. Einschlägige Schulungen oder Weiterbildungen für diese Externen werden laut einer Presseerklärung von ProAsyl nicht angeboten.
- Gemeinsames Grundverständnis zu Verschwiegenheit, Neutralität, Zuverlässigkeit, sozialen Kompetenzen und Umgangsformen
Das klingt nicht zwingend nach einer Vereidigung mit den entsprechenden Mindeststandards.
Weitere Sprachmittler
Neben den offiziellen Dolmetschern, die für Registrierung, Vernehmungen oder das eigentliche Asylverfahren hinzugezogen werden, finden Flüchtlinge vor Ort zusätzliche Ansprechpartner, insbesondere
- zweisprachige Mitarbeiter (Wachleute, Hausmeister, Sozialarbeiter, Heimleitungen)
- zweisprachige Ehrenamtliche
- Flüchtlinge, die schon länger im Land sind; andere Landsleute oder Angehörige (vielfach die Kinder)
Laiendolmetscher sind in der Regel sehr engagiert und im Alltag eine enorme Hilfe. Allerdings entsteht durch ihre Hilfsbereitschaft der Eindruck, dass letztlich jeder dolmetschen kann, der guten Willens ist und sich in zwei Sprachen verständigen kann. Missverständnisse werden dabei in Kauf genommen und akzeptiert. Manchmal werden sie auch absichtlich provoziert.
Konfliktfelder
In der Berichterstattung zum Dolmetschen im Asylbereich fallen verschiedene Gründe auf, aus denen es zu bewusst falschen Übertragungen kommt, darunter:
- Selbstüberschätzung: Der Dolmetscher überspielt Wissenslücken oder die Unkenntnis einer Regionalsprache oder erfindet eine Aussage.
- Rollenkonflikt: Dieser Punkt betrifft insbesondere Angehörige – ein Kind, das zwischen seinen eigenen Lehrern und den Eltern dolmetscht, oder ein Familienmitglied, das beim Arzt eine kritische Diagnose übersetzen soll und damit fachlich und persönlich überfordert ist. Auch falsch verstandene Solidarität fällt in diese Kategorie.
- Diskriminierung: Manche Dolmetscher lehnen die Religion, die Clanzugehörigkeit, die sexuelle Orientierung oder bestimmte Verhaltensweisen ihres Gegenübers ab und übersetzen bewusst falsch, um ihnen zu schaden.
- Verbundenheit zum Heimatregime: In ihrer Masterarbeit „Sprich nicht so über dein Land“ untersuchte Eden Mengis im Wintersemester 2014/2015 diesen Punkt am Beispiel von Tigrinya-Dolmetschern.
Auch Machtgelüste sollte man als Konfliktfeld nicht aus dem Blick verlieren. Sehr lesenswert hierzu ist der Artikel Dolmetschen und Macht von Dörte Andres (insbesondere die Zusammenfassung zur Rollenauffassung auf den Seiten 24 und 25), in dem die Autorin zu der klaren Aussage kommt: „Der Dolmetscher hat Macht und diese ist oft unkontrollierbar.“
Und jetzt?
Die Berufsbezeichnung Dolmetscher/Übersetzer ist in Deutschland nicht geschützt. Darum bemühen sich insbesondere die Berufsverbände darum, klare, gestufte Qualitätskriterien aufzustellen. Eine sinnvolle Maßnahme für ambitionierte Seiteneinsteiger wäre beispielsweise ein Zugang zu den Berufsverbänden im Sinne einer Juniormitgliedschaft wie beim DVÜD, gegebenenfalls mit Fortbildungspflicht und Mentor, bis eine ausreichende Qualifikation für eine Vollmitgliedschaft erwiesen ist. Der BDÜ setzt diesbezüglich auf ein Patenschaftsprogramm für ehemalige afghanische Ortskräfte in Deutschland. Auf diese Weise wäre von Anfang an der Kontakt zu professionellen Kollegen gewährleistet.
Berufsverbände haben einen verpflichtenden Ehrenkodex, der verantwortungsvolles, professionelles Handeln gewährleistet. Sie halten Kontakt zu Ausbildungsstätten und arbeiten an Qualifizierungskonzepten mit. Sie geben Informationen an ihre Mitglieder weiter (empfehlenswert: das ausführliche österreichische Trainingshandbuch des UNHCR für DolmetscherInnen im Asylverfahren „Es ist eine Fiktion, dass ich neutral bin und unsichtbar“). Sie machen Vorschläge für sinnvolle Qualitätskontrollen (zum Beispiel eine schriftliche Rückübersetzung des Dolmetschprotokolls durch einen externen Übersetzer, wie vom ADÜ gefordert), und sie bieten Mentorenprogramme, in denen Quereinsteiger und Berufsanfänger mit erfahrenen Kollegen zusammenarbeiten.
Wo Kommunen im Alltag auf ehrenamtliche Sprachmittlerpools setzen – Bürger für Bürger im Sinne einer gelingenden Integration –, können professionelle Dolmetscher Fortbildungen und Supervision für Ehrenamtliche organisieren, aber auch fachliche Grenzen aufzeigen (insbesondere bei Themen wie Recht und Medizin).
Denn in einem demokratischen, exportorientierten Rechtsstaat im Herzen Europas ist die korrekte Verständigung auf jeder Ebene maßgeblich für eine funktionierende, friedliche Gesellschaft.
Ein super Artikel,
ca. drei Jahre Später möchte ich als Quereinsteiger ein Paar punkte von meiner Perspektive erläutern. Ich arbeite hauptsächlich für Bamf. In letzter Zeit habe ich auch an den Schulungen des BDÜ’s teilgenommen. Ich habe sehr schlechte Erfahrungen mit BDÜ gemacht, weil die Schulungen nicht für den Aufbau der fehlenden Qualifikation dienen, sondern eher für die Demütigung der teilnehmer. Ich verstehe die Personen, die diese Profession studiert haben, aber mit solchen Methoden werden viele natürliche Dolmetscher schlicht und ergreifend an den Schulungen nicht teilnehmen.
Ich empfehle, dass die Dozenten und Prüfer*Innen erstmal selber nicht in der Gewerbe arbeiten, weil die Neutralität nicht gewährleistet werden kann und den Anschein erweckt, dass sie kein Chance keinem geben wollen.
Im Weiteren sind die Honorare im Vergleich zu anderen Profession troz fehlenden Qualifikationen deutlich höher. Und die proffesionellen Dolmetscher* Innen erhalten mehr als das Doppelte zu Vergleich der natürlichen.
Deshalb sollten die proffesionelle Dolmetscher*Innen die Quereinsteiger nicht als Marktverderber sehen und die Schulungen vernünpftig gestallten, damit wirklich von allen Personen natürliche und proffesionelle Dolmetscher* Innen für die Proffesion Dolmetschen ein vernünpftigen Beitrag geleistet werden kann.
Die BDÜ und seine jetzige Dozenten sind definitiv dafür nicht geeignet und schaden der Profession noch mehr als die ungeliebten natürlichen Dolmetscher* Innen.
Ich hoffe Sie können das viel erwähnte Wort Empathie auch einwenig für uns anwenden.
Ach noch eins jede Proffesion hat seine Komplexe und Konkurrenten wie z. B. Soziale Arbeit hat mit den Ehrenamtler zu kämpfen, aber trozdem sind sie bei den Schulungen immernoch menschlich zu den Teilnehmer*Innen und versuchen nicht die aus dem Weg zu räumen. LG
Guter Artikel. Zu den Kommentaren: Das BAMF bezahlt sogut wie nie nach JVEG, sondern meist nur 25-35. Professionelle Dolmetscher kommen da meist erst gar nicht…
Danke für Ihren Hinweis, Frau Salim. Dass das Amt aktiv Laien beschäftigt, um nicht nach JVEG zahlen zu müssen, obwohl ermächtigte Dolmetscher/Übersetzer verfügbar wären, ist eine interessante, ergänzende Information. Und sehr bedauerlich.
Endlich wurde das Thema zur Denatte gebracht. Ich als allg. beeidigte Dolmetscherin und ermächtigte Übersetzerin leide deswegen, weil man, u.a. Behörden mein Honirar nicht gemäß JVEG bezahlen wollen. Es werden leihen zum Dolmetschen bedchäftigt. Meine Arbeit wurde dadurch beeinträchtigt … So dass ich demnächst selber beim Jobcenter Leistungen beantragen muss. Auch beim BAMF Trier habe ich es versucht. Dort hat man mir Probleme gemacht, bis ich selber ausgestiegen bin. Man hat die leihen beim Entscheider zum Dolmetschen organisiert und mir nur die Aufgabe: Ausfüllen des Asylantrag gegeben. Als ich mich dagegen gäußert habe, versuchte man mich aus dem Weg zu bringen. Bis ich weg war. Sehr traurig , dass kein Gesetz mein Beruf schützen kann… Sehr traurig, dass dadurch Behörden die Schwarzarbeit unterschätzen und leihen beschäftigen, sehr oft auch ohne Vertrag!