„…nothing is simple when it comes to subtiles; every turn of phrase, every punctuation mark, every decision the translator makes holds implications for the viewing experience of foreign spectators.“ (Nornes, 1999: 17)


Kurz gesagt: Ich liebe Animes. Ich schaue sie gerne, ich übersetze sie gerne, auch wenn ich gestehen muss, dass ich nicht Otaku genug bin, um sie auch in meiner Freizeit zu übersetzen und sie dann lieber auf meiner Couch genieße. Als ich nach meinem Master als Freelancer  einstieg, war mir deshalb von Anfang an klar, dass ich neben den medizinischen Übersetzungen, die dank meiner Ausbildung in einer psychiatrisch/psychotherapeutischen Praxis und meiner Affinität zur medizinisch-psychiatrischen Thematik am naheliegendsten waren, auch in den populärkulturellen Bereich – gewissermaßen als Ausgleich mit Funfaktor – einsteigen wollte. Mittlerweile ist es aber tatsächlich so gekommen, dass die Untertitelung von Anime und deren Rohübersetzung einen Großteil meines Tagesgeschäfts ausmachen. Trotzdem haben diese Übersetzungen für mich nie ihren Status als spaßiger Ausgleich abgelegt und so kam mir erst im Austausch mit Kolleg:innen und angesprochen auf diesen Blogpost in den Sinn, dass es auch in diesem Bereich einige Besonderheiten, Stolperfallen und Schwierigkeiten gibt, von denen selbst so manche erfahrene Übersetzer:innen mitunter gar nichts ahnen.

Das Konzept Untertitel

Das Konzept von Untertiteln hat sich im Lauf der Jahre stark gewandelt. Unser heutiges Verständnis davon, wie Untertitel aussehen sollen und in welcher Funktion wir sie begreifen, ist tatsächlich alles andere als selbstverständlich. Lange Zeit war es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, dass ganze Sprecherrollen nicht übersetzt wurden, weil sie für das Geschehen als nicht relevant galten oder nur Teilen der Handlung, nicht aber den Dialogrollen, eine Übersetzung angediehen wurde, um die Charakteristik eines ausländischen Films nicht zu untergraben.

Mittlerweile sind wir hiervon ein gutes Stück entfernt und haben dank einer florierenden Industrie einen professionellen Standard für die meisten Untertitel erreicht (nachzulesen z.B. beim Berufsverband audiovisueller Übersetzer). Dennoch heißt das noch lange nicht, dass sich dadurch auch weniger Probleme bei der Untertitelung ergeben. Selbstverständlich finden sich insbesondere bei der Literatur- und vor allem der lyrischen Übersetzung mitunter ähnliche Probleme, wie jene, denen sich Untertitelübersetzer:innen gegenübersehen. Jedoch werden die Rezipienten nur selten so deutlich auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass es sich bei dem Gelesenen um eine Übersetzung handelt, wie in der Untertitelung, wo der Ausgangstext – die Originalsprache – dem Leser der Übersetzung buchstäblich „vor Ohren“ geführt wird. Dennoch bleibt die Arbeit von Untertitelübersetzer:innen trotz ihrer umfangreichen und komplexen Aufgaben, die sich unmittelbar vor den Augen der Zuschauer:innen abspielen, weitestgehend unbeachtet und nicht selten auch ungewürdigt*.

Die Problemstellung Untertitel

Eine der größten Einschränkungen bei der Untertitelung von Anime ist sicherlich die Zeichenbeschränkung von üblicherweise zwei Zeilen à 37-40 Zeichen (je nach Publisher) entsprechend einer durchschnittlichen Lesegeschwindigkeit bei einer Standdauer von ca. 1-6 Sekunden. Oftmals sieht man sich also gezwungen, eine Genauigkeit der jeweiligen Übersetzung hintenanzustellen, auf grammatikalische Wendungen und Wortlaute zugunsten einer möglichst sinngenauen Übertragung bei so wenig Zeichen wie möglich zu verzichten – und ja, auch mein Herz blutet häufig, wenn ich, wohl wissend was die Sprecher einer Szene sagen auch die Doppeldeutigkeiten in ihren Worten erkenne, sogar besonders eloquente grammatikalische Arten wüsste, dies in der Zielsprache umzusetzen, um dann enttäuscht festzustellen … dazu fehlen mir zwei einblendbare Zeichen. Und wie geht man eigentlich mit einer buddhistischen Redewendung um, einem philosophischen Konzept oder einer konfuzianischen Wertvorstellung, die in Japan allgemein bekannt und Teil des alltäglichen Sprachgebrauchs ist, dem Publikum, an das die Untertitel gerichtet sind, vermutlich aber gänzlich unbekannt ist? Wir erinnern uns, keine Anmerkungen und maximal 37-40 Zeichen auf zwei Zeilen, vorausgesetzt wir haben nur eine Sprechrolle. Sind es zwei, bekommt natürlich jede ihre eigene Zeile und wir verlieren wertvollen Platz.

Selbstverständlich hat jede Firma zudem ihre eigenen Vorgaben und Standards, sei es bezüglich der maximalen Zeichenanzahl (z. B. im Hinblick auf eine spätere DVD-Produktion), des Umgangs mit Namenszusätzen wie -san, -kun, -chan oder -sensei, möglicher Kraftausdrücke (hier darf trotz der Nähe zum Original auch die FSK und die angestrebte Zielgruppe nicht vergessen werden), der verwendeten Software oder des Spottings, der Transkription und des mitgelieferten Materials. Auch auf all das muss selbstverständlich geachtet werden.

Aber genau hierin liegt einer der Reize bei der Untertitelung von Anime. Eben dieses Knobeln bei dem Versuch die versteckten kulturellen Spitzfindigkeiten in diese sehr beschränkte Zeichenzahl zu pressen, ohne dass es hinterher übersetzt oder holprig klingt, dabei aber trotzdem versteckte Andeutungen einzufügen oder Erklärungen eines fremden Konzepts mit einzubringen, wo immer es möglich ist, ist für mich nach wie vor das Besondere und die Herausforderung bei der Untertitelung von Anime.

Spotting und Transkription

Eine weitere Besonderheit bei der Untertitelung von Anime (und auch jeder anderen Form von Untertiteln) ist das bereits angesprochene sogenannte Spotting, das entweder die Übersetzer oder aber auch die Auftraggeber selbst übernehmen. Beim Spotting wird mittels geeigneter Software (wie z.B. Aegisub (kostenfrei) oder Annotation Edit (kostenpflichtig)) Anfangs- und Endzeit der Untertiteleinblendung festgelegt und das Gesprochene in „augengerechte“ Häppchen zerlegt. Im Normalfall wird für die Übersetzung ein Skript der Dialogrollen mitgeliefert, anhand dessen in Verbindung mit einer Video- und Audiodatei die Übersetzung angefertigt und in die Timeframes eingefügt wird. Immer wieder kommt es aber bei der Untertitelung von Anime auch vor, dass sich Skript und Dialog voneinander unterscheiden und die Übersetzer so trotzdem dazu gezwungen sind ohne Skript mit Video und/oder Audio allein zu arbeiten. So manch zweifelhafte Übersetzung mag vermutlich daher rühren, dass den Übersetzern nur ein Skript ohne dazugehöriges Audio/Video zur Verfügung gestellt wurde. Mitunter kann es aber auch vorkommen, dass von den Auftraggebern die Transkription, also das Abhören und Verschriftlichen des Gesprochenen, und eine anschließende Übersetzung ohne dazugehöriges Skript verlangt wird. Da gerade bei der Untertitelung von Anime die Dialoge jedoch oftmals von Soundeffekten überlagert werden, die es nahezu unmöglich machen, einen exakten Wortlaut zu verstehen, und die Transkription dazu noch extrem zeitaufwändig ist, – wir sprechen um ein Vielfaches schneller, als die meisten von uns schreiben können, nicht umsonst wurde die Stenographie erfunden! – lehnen viele Übersetzer, mich eingeschlossen, dies in der Regel ab, zumindest sofern dies nicht zuvor gesondert vereinbart wurde.

Pro-Subs vs. Fan-Subs

„Ich dachte, du arbeitest, aber du schaust ja nur Zeichentrickfilme.“ … Ich weiß ja nicht, ob es anderen Übersetzer:innen genauso geht, aber von Außenstehenden höre ich diesen Satz tatsächlich immer wieder und genau hierin liegt vielleicht ein Teil des Problems bei der Untertitelung von Anime. Denn nicht nur von „Unbeteiligten“ kommen Zweifel an der Legitimierung der Branche auf, selbst von Seiten der Industrie werden mitunter Anstrengungen unternommen, professionellen Übersetzungen den Rücken zu kehren und zunehmend auf Fan-Subs, also von Fans erstellte Untertitel, zurückzugreifen (die VoD-Plattform Viki arbeitet beispielsweise auf ähnlicher Basis).

 Trotz teils kommerzieller Vermarktung werden so entstandene Untertitel in der Regel nicht vergütet und die Bereitwilligkeit einer Community, professionell anmutende Arbeit in ihrer Freizeit kostenlos zu verrichten, führt mitunter zu einigem Unmut in der Pro-Branche. Häufig von größter Qualität (insbesondere bei Anime) folgen sie gerade bei der Untertitelung von Anime ganz eigenen Regeln, indem sie beispielsweise auf Anmerkungen zurückgreifen und ihre Untertitel durch Schriftart und Farbe zu einem Teil des Gesamtwerks machen, anstatt wie in der Untertitelbranche allgemein üblich, diese in den Hintergrund rücken zu lassen, um nicht vom eigentlichen Werk abzulenken. Zudem sind sie meist bewusst sehr „japanophil“[A3]  gehalten und behalten japanische Ausdrucksweisen und Begriffe bei, wohingegen die meisten „professionellen“ Untertitel eher ziellandorientiert sind. Gerade bei der Untertitelung von Anime muss trotzdem festgehalten werden, dass bedingt durch die Zielgruppe diese Untertitel wesentlich kulturerhaltender sind als in anderen Genres und nicht alle Übersetzer hier auch mit dem japanischen Original arbeiten oder die Ausgangs- und/oder Zielsprache fehlerfrei beherrschen. Bei meiner Untertitelung von Anime bewege ich mich deshalb, rückschauend betrachtet, tatsächlich im Grenzbereich zwischen Fan- und Pro-Subs, um das Beste aus beiden Welten mit einzubeziehen – Japanologin bleibt eben Japanologin.

*vgl. Nornes, 1999: 17

(Weiterführende) Quellen:

Nornes, Abé Mark. „For an Abusive Subtitling.“ Film Quarterly Vol. 52, No. 3 (1999). S. 17-34.

Bruti, Silvia: „Compliments in Fansubs and in Professional Subtitles: The Case of Lost.” International Journal of Translation No.16 (2014). S. 13-34.

Cintas, J.D und Sanchez, P.M: „Fansubs: Audiovisual Translation in an Amateur Environment.” Journal of Specialised Translation No. 6 (2006): S. 37-52.

Dwyer, Tessa: Speaking in Subtitles Revaluing Screen Translation. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2017.

Ito, Mizuko: „Ethics of Fansubbing in Anime’s Hybrid Public Culture.” Fandom, Second Edition: Identities and Communities in a Mediated World. Hrsg. Gray, Jonathan, Harrington C. Lee und Sandvoss, Cornel. New York: New York University Press, 2017. S. 333-353.



Autorin: Jenny Willett übersetzt Untertitel aus dem Japanischen ins Deutsche und Medizintexte aus dem Japanischen ins Englische und Deutsche

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