Eine Binsenweisheit?
Außer Brancheninsidern ist den meisten Menschen meist gar nicht bekannt, dass Übersetzen und Dolmetschen zwei verschiedene Tätigkeiten sind. Ein Kollege fand mal eine sehr einfache Formel, die sich jeder sofort merken kann:
„Dolmetscher tun es mit dem Mund, Übersetzer mit der Hand“
Aber was denn nun eigentlich?
Der aus dem ostdeutschen Sprachraum stammende Begriff „Sprachmittler“ trifft es aus meiner Sicht sehr genau: beide Berufsgruppen vermitteln zwischen Sprachen, d. h. sie bringen Inhalte aus einer Sprache in eine andere. Während Übersetzer mit schriftlichen Inhalten arbeiten, befassen sich Dolmetscher mit dem gesprochenen Wort. Der grundsätzliche Unterschied: während Übersetzer sich in aller Länge und Tiefe mit dem jeweiligen Text auseinandersetzen können, Nachschlagewerke konsultieren, im Internet recherchieren usw., müssen Dolmetscher das jeweilige Vokabular „parat“ haben und ihre Übersetzung sofort mündlich in der anderen Sprache wiedergeben.
Für beide Berufe wichtig ist eine exzellente Kenntnis der Ausgangs- und Zielsprache sowie des Fachgebiets, aus dem der jeweilige Text stammt. Die Arbeitsweisen beider Berufsgruppen unterscheiden sich jedoch grundlegend.
Übersetzer
Übersetzer erhalten ihre Aufträge heute meist per E-Mail oder Dateidownload, im Idealfall als Textverarbeitungsdokument.
Liegt das Dokument in bearbeitbarer Form vor, wird es vom Übersetzenden in die Zielsprache übertragen. Als Hilfsmittel stehen Wörterbücher oder Referenzmaterialien in beiden Sprachen oder das Internet mit seinen vielfältigen Recherchemöglichkeiten zur Verfügung. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine hohe Sorgfalt und das lange „Feilen“ an möglichst perfekten Zieltexten, auch unter Berücksichtigung von Stilrichtlinien, Terminologievorgaben des Kunden, an die Zielgruppe angepasste Wortwahl usw.
Generell unterscheidet man zwischen Fachübersetzungen und Literaturübersetzungen. Die Honorarfindung ist in beiden Bereichen unterschiedlich geregelt, die Anforderungen an das Produkt (Schwerpunkt auf fachliche Korrektheit/Schwerpunkt auf literarischer Qualität) sind ebenfalls sehr verschieden.
Dolmetscher
Sind Sprachmittler für das gesprochene Wort. Zwei Tätigkeitsfelder, die auch Laien sofort einfallen, sind Gerichtsverfahren mit ausländischen Prozessbeteiligten oder die berühmte „Stimme des Synchronsprechers“ aus Fernsehsendungen. Aber auch international besetzte Konferenzen sind ein weites Tätigkeitsfeld, bei internationalen Institutionen sind ebenfalls viele Dolmetscher angestellt.
Man unterscheidet zwischen Simultan- und Konsekutivdolmetschen:
Simultandolmetschen heißt, dass der Dolmetschende das Gesprochene in Echtzeit wiedergibt, d. h. die Zuhörer tragen meist Kopfhörer und der Dolmetscher sitzt in einer so genannten „Dolmetscherkabine“, wo er den Ausgangstext auf einem Kopfhörer verfolgt und gleichzeitig den Zieltext in ein Mikrofon spricht. Diese Art des Dolmetschens erfordert ein Höchstmaß an Konzentration, deshalb werden bei längeren Einsätzen meist zwei Dolmetschende benötigt, die sich im Halbstundentakt abwechseln.
Beim Konsekutivdolmetschen, das man im Fernsehen oft bei Staatsbesuchen beobachten kann, ist die dolmetschende Person meist mit im Raum und hält sich im Hintergrund. Dort wartet sie ab, bis ein Redner ein paar Sätze gesprochen hat (rücksichtsvolle Redner machen nach jedem Satz eine Pause und warten ein wenig) und flüstern entweder dem anderen Gesprächspartner die Übersetzung ins Ohr (Flüsterdolmetschen) oder tragen das Gesagte in der Zielsprache für alle laut vor (Konferenzdolmetschen).
Da bei solchen Dolmetscheinsätzen keine Zeit bleibt, Wörterbücher zu konsultieren oder Fachbegriffe nachzuschlagen, müssen sich Dolmetscher auf ihre jeweiligen Einsätze sehr sorgfältig vorbereiten. Honoriert wird in der Regel die Vorbereitungszeit, die An- und Abreise sowie die Arbeitszeit beim Dolmetscheinsatz. Hier gelten Tagessätze, in Einzelfällen werden auch halbe Tage abgerechnet.