Die Interessen von Freiberuflern und anderen Selbstständigen ohne Angestellte werden in der Gesetzgebung häufig übersehen. Der DVÜD hat den größeren Parteien im Juli 2017 Wahlprüfsteine vorgelegt, in denen verschiedene Punkte zur Situation der freien Übersetzer und Dolmetscher angesprochen werden.
Erfragt wurden die Positionen der Parteien zu drei Frageblöcken mit jeweils einer bis fünf Fragen: Block A Europa und die Welt, Block B Honorierung von öffentlicher Seite (JVEG, Community Interpreting) und Block C Situation der freien Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland.
Bis zum Stichtag bzw. während der Auswertung waren die Antworten von CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP eingetroffen. Sollte noch eine Antwort der AfD eintreffen, so wird diese im Mitgliederbereich hinterlegt.
Die Antworten fasst der DVÜD in drei Artikeln – einer pro Block – knapp zusammen. Unterschiedlich ausführlich zitierte Aussagen der Parteien spiegeln keine politische Sympathie für die eine oder andere Partei wider. Im Volltext können Mitglieder die Antworten als PDF im Mitgliederbereich einsehen und herunterladen.
Diskutiert über die Fragen aus Block A und B mit euren Kandidaten, mit Kollegen, in euren Netzwerken oder in unser Kompetenzgruppe Politik.
BLOCK B: HONORIERUNG VON ÖFFENTLICHER SEITE
1. Dolmetscher und Übersetzer sind im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), §§ 9 bis 14, bei den Sachverständigen aufgeführt und müssen in vielen Bundesländern bei ihrer Vereidigung Rechtskenntnisse nachweisen, teilweise auch die regelmäßige Auffrischung dieser Kenntnisse. Andererseits wird bei Behörden, Polizei und BAMF zur Kostenersparnis reger Gebrauch von § 14 JVEG gemacht. Qualifizierte Dolmetscher, die keine günstigeren Rahmenverträge unterzeichnen, als das JVEG vorsieht, werden vielerorts nicht mehr bestellt. Was plant Ihre Partei gegen die Diskrepanz von Sparvorgaben bei den Behörden, mit denen die vom Gesetzgeber als angemessen betrachteten Honorare unterlaufen werden?
Die CDU/CSU verweist in diesem Zusammenhang auf die Begründung zum Gesetzentwurf des JVEG aus dem Jahr 2003, demzufolge „Vergütungsvereinbarungen nach § 14 JVEG ‚einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung des Abrechnungswesens leisten‘ sollen. § 14 JVEG wurde demnach nicht als Mittel für Kosteneinsparungen geschaffen.“ Betont wird, dass das JVEG lediglich die Höchstsätze bemisst und dass davon abweichende Vereinbarungen des Einverständnisses der hinzugezogenen Dolmetscher voraussetzt. Bei der Auswahl eines Gerichtsdolmetschers „entscheiden die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit.“
Die SPD führt für Vereinbarungen nach § 14 JVEG haushalterische Gründe an, die in der besonderen Verantwortung der Länder für Verwaltung, Polizei und Justizverwaltung liegen.
DIE GRÜNEN erklären, dass es den Rechtsstaat nicht umsonst gibt, und sind „für angemessene Honorierung (…) und gegen Preisdumping bzw. Honorardruck“. „Angemessen dotierte Rahmenverträge“, die tatsächlich „längerfristige Leistungsbeziehungen“ ermöglichen, halten sie dabei für akzeptabel.
DIE LINKE wünscht im öffentlichen Dienst keine Sparvorgaben zu Lasten von Beschäftigten und Honorarkräften, am allerwenigsten, wenn Honorarkräfte das Recht des Einzelnen gegenüber staatlichen Stellen gewährleisten sollen.
Die FDP sieht den Konflikt zwischen sparsamer Haushaltsführung und angemessenen Honoraren, insbesondere im Hinblick auf die Unparteilichkeit der Dolmetscher. Eine denkbare Lösung wäre die Anpassung des JVEG an „unterschiedliche Qualifikationsniveaus, z. B. mit und ohne Rechtskenntnisse“ und eine Einschränkung des Anwendungsbereichs für Vergütungsvereinbarungen nach § 14 JVEG.
2. Dolmetscher für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind in der Regel keine Angestellten des BAMF, sondern freiberuflich tätig. Setzen Sie sich für eine konsequente Vergütung aller BAMF-Dolmetscher nach JVEG ein?
Laut CDU/CSU ist allein das BAMF für die Vergütung der BAMF-Dolmetscher verantwortlich. Es wurden „bislang auch keine das Thema betreffenden Beschwerden an das Bundesministerium des Innern (BMI) herangetragen.“
Die SPD verweist auf „zahlreiche mangelhafte Entscheidungen des BAMF“, die teilweise auch auf einem Mangel an „professionellen Dolmetschern für viele Sprachen“ beruhen. Sie betont Qualitätsanspruch und Sicherheitsaspekte und sagt: „Die faktische Gefahr eines Preiswettbewerbes nach unten unter Auswirkungen auf die Qualität der Dolmetscherleistungen sollte (…) vermieden werden. (…) Die für eine qualitativ hochwertige Arbeit des BAMF notwendigen Mittel wollen wir bereitstellen.“
Den GRÜNEN erscheint die Anwendung des JVEG bei BAMF-Anhörungen „sinnvoll“. Sie fordern zudem „angesichts der vielfältigen Klagen über die Übersetzungen der Asylanhörung im BAMF“ insbesondere die Hinzuziehung qualifizierter Dolmetscher.
DIE LINKE plädiert ebenfalls für eine Vergütung nach JVEG und sagt: „Soweit Dolmetscher weit überwiegend und dauerhaft für das BAMF tätig sind und dies wünschen, sollten sie dort auch fest angestellt werden.“
Die FDP will sich für präzisere Auswahlkriterien für BAMF-Dolmetscher einsetzen und „bei der Überprüfung der Stundenhonorare des JVEG [siehe Punkt 1] (…) auch prüfen, ob eine Einbeziehung von Dolmetscherleistungen im Asylverfahren in Betracht kommt.“
3. Im „Community Interpreting“ (= das Dolmetschen in Verwaltungsangelegenheiten, an Schulen, bei Überschuldung, Psychotherapie, Krankheit sowie im Asylbereich jenseits der unmittelbaren Fallbearbeitung) wird bevorzugt auf Kinder, Nachbarn oder Freunde zurückgegriffen, weil die Bezahlung von Dolmetschern nach wie vor nicht geregelt ist. Wie steht Ihre Partei zu einem Rechtsanspruch auf Dolmetschleistungen in den ersten zwei Jahren des Aufenthalts in Deutschland? Wo sehen Sie Spielräume oder Handlungsbedarf für eine Verbesserung der bestehenden Situation?
Die CDU/CSU sieht allenfalls Einzelfallbedarf, verweist auf „das Erlernen der deutschen Sprache als wesentliche Voraussetzung einer gelingenden Integration“ und betrachtet einen generellen Rechtsanspruch auf Dolmetscherleistungen in den ersten zwei Jahren des Aufenthalts als „staatliches Förderprogramm für Dolmetscher“, das „aus haushälterischen Gründen äußerst kritisch gesehen“ wird.
Die SPD hat die Punkte 1 bis 3 zusammengefasst beantwortet und ist auf diesen Unterpunkt nicht näher eingegangen.
Die GRÜNEN sehen durchaus den Sinn derartiger Dolmetschleistungen. „Sie sollten aber nicht so weitgehend als Rechtsanspruch ausgestaltet werden und das Deutschlernen verzögern.“
DIE LINKE zeigt sich angesichts der Überforderung von Migranten im Behördenkontakt „sehr aufgeschlossen“ für eine entsprechende Debatte und hält die „finanzielle Förderung von Beratungsstellen von zivilgesellschaftlichen Trägern“ für sinnvoll.
Trotz der extra angegebenen Stichpunkte zu typischen Einsatzbereichen für das Community Interpreting hat keine der antwortenden Parteien dieses Thema differenziert betrachtet, insbesondere den sensiblen Bereich des Dolmetschens in Medizin und Psychotherapie.
Die FDP plädiert für einen „Rechtsanspruch auf verpflichtende Sprach- und Integrationskurse für alle Flüchtlinge ab dem ersten Tag in der Kommune.“ Sie erkennt allerdings den anfänglichen Bedarf an professionellen Sprachmittlern bei Arztbesuchen, in den Unterkünften und besonders verletzlichen Gruppen wie unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen und möchte die Kommunen diesbezüglich stärker unterstützen. Übersetzungen von relevanten Informationen in die wichtigsten Einwanderersprachen hält sie auf allen staatlichen Ebenen für geboten.