Remote interpreting

Arbeitsalltag für Video-Dolmetscher (Bildnachweis: rawpixel-603014-unsplash)

Das Signal. Die Dolmetscherin setzt die Kopfhörer auf und tippt auf die grüne Taste. Zuerst muss sie herausfinden, ob sie gut zu hören ist. Ja, ist sie, und sie hört den Sprecher auch. Tür und Fenster sind zu. Sie kann beginnen!

Videodolmetschen im Einsatz

Videodolmetschen ist eine Hightech-Lösung, die immer mehr Kunden aus unterschiedlichen Branchen anwenden. Denn sie hilft, Sprachbarrieren in vielen Situationen in Echtzeit zu überwinden. So können sich Reisende dank intelligenter Technologie mit Menschen am Schreibtisch verständigen, und Geschäftsleute haben die Möglichkeit, grenzübergreifende Verhandlungen zu führen. Grenzübergreifende Live-Gespräche – das ist dabei das Ziel, und es stellt sich die Frage, ob das mit Hilfe des Video-Dolmetschens in allen Branchen problemlos erreicht werden kann. Wie sieht es dort aus, wo es um das Leben und Schicksale einzelner Menschen geht?

Aufklärung per Video

Videodolmetschen wird nach Minutentarif bezahlt. Auch die Anreisekosten entfallen. Außerdem gibt es mittlerweile Unternehmen, die das Dolmetschen via Video im Modus 24/7 anbieten und spezielle Software für Videokonferenzen einsetzen. Damit wird eine Verbindung zwischen dem Dolmetscher und den Sprechenden durch Tablet, Handy oder Computer aufgebaut. Voraussetzung ist natürlich eine gute Internetverbindung.

Rechtliche Bedenken

Aber wie werden Sicherheit und Datenschutz während der Übertragung gewährleistet? Mit diesen Fragen kommen wir automatisch zum rechtlichen Bereich, in dem das Videodolmetschen ebenfalls immer öfter eingesetzt wird, z. B. in Justizvollzugsanstalten oder bei der Polizei. Beim 13. International Legal Forum (FIT-ILF 2018), das vom 6. bis 8. September 2018 in einer Kooperation des Übersetzerweltverbands FIT mit dem deutschen Fachverband ATICOM in Bonn stattfand, wurde unter anderem über das Videodolmetschen während Gerichtsverhandlungen gesprochen. Fest steht, dass es in diesem Bereich noch viele offene Fragen gibt. Der Rechtsanwalt und Vorsitzende des VVU Baden-Württemberg, Evangelos Doumanidis, erläuterte einige davon, darunter:

  • Wer darf sich Videodolmetscher/in nennen?
  • Wie müssen die technischen Voraussetzungen aussehen?
  • Wie kann die Daten- und Übermittlungssicherheit gewährleistet werden?

Einsatz vor Gericht strittig

Einige seiner überzeugenden Argumente gegen die Anwendung des Videodolmetschens im Gerichtsverfahren möchte ich hier näher beleuchten. Wenn Dolmetscher nicht im Raum präsent sind, „kommt ein starkes Gefühl der Unnatürlichkeit auf“. Denn die Interaktion mit anwesenden Personen und ihre non-verbalen Signale wie Mimik und Gestik fallen weg. Laut Evangelos Doumanidis verstärkt der Einsatz von Technik das Gefühl der Unnatürlichkeit. So kann zum Beispiel der Ton verzögert sein oder die Bilder können unscharf werden. Infolgedessen werde die ganze Kommunikation verändert. Außerdem verschlechtere sich die Fähigkeit, zwischen wahren und unwahren Aussagen zu unterscheiden.

Den Einsatz von Videodolmetsch-Dienstleistern bei Gericht hält der Rechtsanwalt aber auch aus rechtlichen Gründen nicht für möglich, denn die Qualifikation der Dolmetscher wäre nicht überprüfbar. Hinzu kommt die Tatsache, dass man nicht sicherstellen könne, ob sich „niemand Drittes auf der Seite der Dolmetscherin aufhält“. Dabei muss auch bedacht werden, dass Videodolmetsch-Dienstleister oft Dolmetscher einsetzen, die sich im Ausland aufhalten. Das hieße dann, dass Gerichtsbarkeit auf ausländischem Territorium ausgeübt würde und das sei verfassungswidrig.

Aus meiner Sicht sind bereits diese Argumente ausreichend, um gründlich über die weiteren rechtlichen Aspekte des Einsatzes des Videodolmetschens im Gerichtsverfahren nachzudenken.

Video auf dem Vormarsch

Der Einsatz des Videodolmetschens ist in allen Bereichen von großer Bedeutung, in denen täglich Sprachbarrieren im Wege stehen, vor allem dort, wo es um Gesundheit geht. Offene Fragen rechtlicher Natur werden in juristischem Bereich besonders greifbar. Dort, wo es um die Schicksale der Menschen geht, kann ein übereilter und unkontrollierter Einsatz eines unqualifizierten Video-Dolmetschers schaden.

Für den Staat ist Video-Dolmetschen einerseits eine Unterstützung bei der Bearbeitung von Anliegen ausländischer Antragsteller. Auch Entscheidungen über Asylanträge oder andere Angelegenheiten, die Geflüchtete betreffen, können mithilfe neuer Software zur Video-Übertragung beschleunigt werden. Solange das Video-Dolmetschen jedoch nicht genügend erforscht ist, sollte man im juristischen Bereich eher über mehr Möglichkeiten für die Ausbildung und Ladung von Präsenzdolmetschern nachdenken.

Vereidigte Dolmetscher für diverse Sprachrichtungen sind über die behördliche Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank justiz-dolmetscher.de zu finden.

DVÜD-Gastautorin Viktoria Kaiser ist IHK-geprüfte Übersetzerin für Russisch und Deutsch und am OLG Koblenz als Übersetzerin und Dolmetscherin für Russisch und Ukrainisch ermächtigt bzw. beeidigt. In diesem Beitrag schildert sie Abläufe beim Video-Dolmetschen, dessen rechtliche Hintergründe kürzlich beim 13. International Legal Forum (FIT-ILF 2018) in Bonn von der Fachwelt diskutiert wurden. Viktoria ist Mitglied im DVÜD, im DTT und im Businessnetzwerk russischer Unternehmer e.V. (BRU).

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