Mit einen Businessplan haben Übersetzer und Übersetzerinnen, die freiberuflich am Markt Fuß fassen wollen, schon einmal eine gewisse Vorstellung davon, wie das erste Jahr ablaufen sollte. Imke Brodersen hat unsere Newsletter-Redakteurin Anja Samstag nach ihrem Einstieg ins Literaturübersetzen befragt – wie passte ihr erstes Jahr zur Theorie? Was war schwieriger, was war einfacher als gedacht?

Anja, du hast dich gleich nach deinem Masterstudium an der HHU Düsseldorf als Übersetzerin selbstständig gemacht. Was hattest du im ersten Jahr erwartet?

Nach Abgabe der Masterarbeit habe ich mich als Erstes an die Planung gemacht, wie ich gern Netzwerken wollte. Auf die Buchmessen fahren, nach Wolfenbüttel zum Jahrestreffen der Literaturübersetzer*innen, Stammtische besuchen und mir so ein Netzwerk aufbauen, das mir hilft, nicht ratlos und allein an meinem Schreibtisch zu hocken. Zusammen mit anderen frisch aus der Uni ausgespuckten Übersetzerinnen habe ich mich auf die Jagd nach dem ersten Auftrag gemacht. Pandemiebedingt fiel das Netzwerken vor Ort natürlich ins Wasser. Zum Glück gab es Online-Stammtische, Webinare und durch die Beiratstätigkeit gab es immer Kolleg*innen, die mir Fragen beantworten konnten.

Gibt es etwas, was du dir besonders schwer vorgestellt hast, und was dann erstaunlich einfach war?

Etwas Magenschmerzen hatte ich bei dem Thema Selbstständigkeit und Krankenversicherung. Für mich war klar, dass ich in die Künstlersozialkasse möchte, doch ich hatte schon im Studium gehört, dass das dauert und kompliziert sei. Tatsächlich ging es dann in meinem Fall aber flott und recht unkompliziert, weil ich mich nur auf das Übersetzen konzentriert habe und pandemiebedingt kein weiteres Standbein hatte. Das war in dieser Hinsicht eine große Erleichterung.

Auch Webseite und Buchhaltung ließen sich einfacher lösen, als anfangs gedacht. Für beides habe ich Anbieter verglichen und mich dann für Lösungen entschieden, die für den Einstieg genügen und mir Arbeit abnehmen. Sinnvoll investiert.

Was war aus deiner Sicht deine wichtigste Investition für den erfolgreichen Start?

Im ersten Schritt war es die Büroausstattung. Für mich bedeutete das: ein Schreibtisch, an dem ich auch im Stehen arbeiten kann, ein guter Schreibtischstuhl, Stil- und Synonym-Wörterbücher und ein Buchhaltungsprogramm.

Im zweiten Schritt, aber eigentlich noch wichtiger, die Berufsverbände. Mir war es wichtig, nicht nur in einem Verband zu sein, der auf meine Branche zugeschnitten ist, sondern auch in weiteren Verbänden, die zu meinen Interessen und Werten passen. In meinem Fall: der VdÜ, die BücherFrauen und der DVÜD. Durch die Mitgliedschaft in den Verbänden habe ich Webinare besucht und an einem Mentoringprogramm teilgenommen. Eine Investition, die sich sehr gelohnt hat, gerade um Anschluss zu finden und zu verstehen, wie die Branche so tickt.

Gab es unerwartete Überraschungen? Also Momente, in denen du dachtest: „Das hätte mir ruhig jemand vorher sagen können“?

Wenn man nicht aufpasst und Pausen macht, kann man sich schnell übernehmen, denn man ist ja für alles selbst verantwortlich. Eine realistische Projektplanung und Zeitmanagement habe ich gerade zu Anfang unterschätzt. Als Nachteule arbeite ich zwar gern in den späten Abendstunden, aber ungeplante Nachtschichten machen keinen Spaß. Und auch wenn es gruselig ist: das Thema Altersvorsorge.

Hattest du einen Plan B im Hinterkopf? Oder gab es mal ein Angebot für eine Festeinstellung, bei dem du wankelmütig wurdest?

Der eigentliche Plan A war es, weiter wie im Studium im Buchhandel zu arbeiten und Schritt für Schritt in die Selbstständigkeit zu starten. Pandemiebedingt wurde daraus nichts. Blieb also „nur“ der Sprung ins kalte Wasser: Selbstständigkeit und zwar „all in“.  In den ersten Monaten habe ich gelegentlich mit dem Gedanken gespielt, ob ein Verlagsvolontariat nicht doch etwas wäre, aber am Ende stand für mich immer fest, dass ich in die Selbstständigkeit will, Bücher übersetzen will, selbst wenn die Pandemie vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt ist.

Welchen Tipp hast du für andere, die sich direkt von der Uni aus selbstständig machen möchten?

Authentisch Netzwerken hilft enorm. Kontakt zu Kolleg*innen halten und sichtbar sein. Dazu muss man nicht LinkedIn täglich füllen, es darf auch Spaß machen. Bildet Banden und arbeitet zusammen. Das können Teamübersetzungen sein oder sich bei Übersetzungsfragen gegenseitig vom Schlauch helfen. Das klappt übrigens auch toll in FB-Gruppen. Ein weiterer Tipp: Die Flexibilität der Selbstständigkeit wirklich auch nutzen. Dabei denke ich nicht nur an Pensum und Puffer, sondern auch daran, Arbeitszeiten zum Beispiel an den Biorhythmus anzupassen oder auch räumlich flexibel zu arbeiten.

Anja Samstag übersetzt Literatur aus dem Englischen ins Deutsche. Ihre ersten Übersetzungen sind bei Digital Publishers erschienen. Ihre Themen sind Historisches, Feministisches, Achtsamkeit.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen