Die Interessen von Freiberuflern und anderen Selbstständigen ohne Angestellte werden in der Gesetzgebung häufig übersehen. Der DVÜD hat den größeren Parteien im Juli 2017 Wahlprüfsteine vorgelegt, in denen verschiedene Punkte zur Situation der freien Übersetzer und Dolmetscher angesprochen werden.
Erfragt wurden die Positionen der Parteien zu drei Frageblöcken mit jeweils einer bis fünf Fragen: Block A Europa und die Welt, Block B Honorierung von öffentlicher Seite (JVEG, Community Interpreting) und Block C Situation der freien Übersetzer und Dolmetscher in Deutschland.
Bis zum Stichtag bzw. während der Auswertung waren die Antworten von CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP eingetroffen. Sollte noch eine Antwort der AfD eintreffen, so wird diese im Mitgliederbereich hinterlegt.
Die Antworten fasst der DVÜD in drei Artikeln – einer pro Block – knapp zusammen. Unterschiedlich ausführlich zitierte Aussagen der Parteien spiegeln keine politische Sympathie für die eine oder andere Partei wider. Im Volltext können Mitglieder die Antworten als PDF im Mitgliederbereich einsehen und herunterladen.
Diskutiert über die Fragen aus Block A und B mit euren Kandidaten, mit Kollegen, in euren Netzwerken oder in unser Kompetenzgruppe Politik.
BLOCK C: SITUATION DER FREIEN ÜBERSETZER UND DOLMETSCHER IN DEUTSCHLAND
1. Für Kleinunternehmer ohne Angestellte gelten in vielerlei Hinsicht dieselben Gesetzesvorgaben für Datenschutz, Impressum, Haftungsausschluss, prompte Verbuchung, Steuern usw. wie für Unternehmen mit zahlreichen Abteilungen. Vieles davon hat nichts mit der Realität von Übersetzern und/oder Dolmetschern und ihren Auftraggebern zu tun. Welche bürokratischen Erleichterungen plant Ihre Partei für freiberufliche Solo-Selbstständige und Wissensarbeiter?
CDU/CSU und SPD verweisen auf die Digitalisierung der Verwaltung, die Bürgern und Unternehmern viel Zeit sparen soll.
Laut Aussage der CDU/CSU wurden „Wirtschaft und Verbraucher in dieser Wahlperiode von Bürokratie entlastet“, und zwar konkret um 8,5 Millionen Stunden pro Jahr. Angestrebt wird „eine neue Gesetzgebungs- und Verwaltungskultur, bei der die Vermeidung oder Begrenzung neuer Regelungen im Vordergrund steht.“
Die SPD will bei Statistik-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ansetzen, die besonders kleine und mittlere Unternehmen belasten.
DIE GRÜNEN planen Erleichterungen bei Umsatzsteuerabführung und Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (Grenze: 1.000,00 EUR). „Gründungsberatung und -förderung soll aus einer Hand in ‚One-Stop-Shops‘ erfolgen.“
DIE LINKE möchte Möglichkeiten für Bürokratieabbau „gemeinsam mit den Betroffenen und ihren Verbänden“ prüfen. Außerdem setzt sie ausdrücklich auf bürgerfreundlich gestaltete, verständliche Formulare und Anträge (ob auf Papier oder online) und verweist auf ihre bisherigen Anträge zur Vereinfachung von aufwändigen Antragsverfahren sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für kleine und mittlere Unternehmen.
Die FDP wünscht einen „mutigen Abbau von Bürokratie“ und mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, damit Selbstständige mehr Zeit für ihr eigentliches Geschäftsmodell und ihre Aufträge haben.
2. Welche Position vertritt Ihre Partei in Bezug auf die soziale Absicherung (Rente, private Rentenversicherung, Vermögensaufbau) von Solo-Selbstständigen und Wissensarbeitern wie den freien Übersetzern und Dolmetschern? Wie passt das zu unruhigen Erwerbsbiographien, die in unserer Branche häufig vorkommen – mal angestellt, mal freiberuflich, mal in Deutschland, mal in Europa, mal anderswo auf der Welt?
Die CDU/CSU erwartet bis Ende 2019 Vorschläge einer Rentenkommission. Solo-Selbstständige sollen (sofern nicht anderweitig abgesichert) „zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen Vorsorgearten wählen können.“
Die SPD ist der Auffassung, „dass Selbstständige grundsätzlich Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung sein sollen“ (Ausnahmen: Mitgliedschaft in einem Versorgungswert, vorhandene und ausreichende Altersvorsorge, Alter über 50). Im von der SPD geplanten System werden alle Ansprüche gebündelt, auch solche, die in EU-Ländern oder Ländern erworben wurden, mit denen ein Sozialversicherungabkommen besteht.
DIE GRÜNEN wollen „nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige (…) in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen“, Beiträge einkommensbezogen erheben und Auftraggeber gegebenenfalls an den Beiträgen beteiligen. Sie plädieren auch für ein vereinfachtes Statusfeststellungsverfahren.
DIE LINKE möchte die Pflichtversicherung aller Erwerbstätigen (Angestellte, Selbstständige, Freiberufler, Beamte) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Für bestehende Verträge setzt sie auf großzügige Übergangsregelungen. Langfristiges Ziel ist zudem die Einführung einer solidarischen Mindestrente (bei Bedarf).
Die FDP will berufsständische Versorgungswerke, gesetzliche und private Rentenversicherung, Vermögensrückstellungen, Fonds usw. in einem „Rentenbaukasten“ kombinieren. Selbstständige bräuchten eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus bei größtmöglicher Flexibilität und Freiheit. Zudem will die FDP die „Pflichtversicherung einzelner Selbstständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung (…) abschaffen.“ [Anmerkung: Das beträfe z. B. die KSK]
3. Welches Konzept sollte nach Meinung Ihrer Partei Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern eine unbürokratische, aber solide Rücklagenbildung für auftragsarme Zeiten, Krankheit oder Pflegefall in der Familie und ähnliche Krisenzeiten ermöglichen?
Die CDU/CSU setzt auf einen „Masterplan Selbstständigkeit“.
Die SPD mahnt Rücklagen in guten Phasen an und betont, dass Selbstständige mit dem eigenen Geschäftsmodell „ein auskömmliches Einkommen“ erwirtschaften sollten, das schwankenden Auftragslagen gerecht wird. Sie fordert Solo-Selbstständige zudem dazu auf, „sich zu organisieren und ihren Interessen ein starkes Sprachrohr zu verschaffen.“
DIE GRÜNEN möchten eine Bürgerversicherung, die sich am tatsächlichen Einkommen orientiert, und auf eine freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige (für auftragsarme Zeiten).
DIE LINKE stellte bei diesem Punkt ihre Pläne für die Kranken- und Pflegeversicherung dar, verwies jedoch schon bei der Antwort auf Frage 2 auf die Bedeutung ausreichend hoher Honorare.
Die FDP verweist bei diesem Punkt auf ihr Bausteinprinzip für die Altersvorsorge.
4. Gegenwärtig zahlen freiwillig versicherte Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige in der gesetzliche Krankenversicherung (GKV), unabhängig vom realen Einkommen den Durchschnittssatz, und zwar Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil. Das ist in bestimmten Lebensphasen kaum leistbar. Übersetzer und Dolmetscher arbeiten – wie andere Arbeitnehmer auch – zeitweise bewusst in Teilzeit, weil sie zusätzlich Aufgaben in der Familie übernehmen, ehrenamtlich tätig sind oder gesundheitliche Gründe vorliegen. Gleichzeitig möchten und müssen sie weiterarbeiten, um ihr Wissen auf aktuellem Stand zu halten. Setzen Sie sich als Partei für eine einkommensabhängige Staffelung der GKV-Beiträge ein? Bitte erläutern Sie Ihr Konzept.
Dass der Mindestbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung für Selbstständige mit geringem Einkommen zu hoch ist, erkennen alle Parteien an und prüfen Lösungen.
Die SPD möchte konkret die Mindestbeitragsgrenze auf die Geringfügigkeitsgrenze (aktuell 450,00 EUR) absenken und anschließend einkommensabhängig steigern.
DIE GRÜNEN möchten die Mindestbeiträge für die GKV um bis zu 180,00 EUR im Monat absenken und langfristig „die Beitragsbemessung von Selbstständigen und Arbeitnehmern angleichen.“
DIE LINKE ist an dem Thema schon seit langem dran und hat in dieser Legislaturperiode „einen Antrag eingebracht, die Mindestbemessung der Selbstständigen auf 450,00 EUR zu senken“, womit sie auf der Höhe der studentischen Kranken- und Pflegeversicherung läge. Die Gegenfinanzierung soll durch Pflichtversicherung für alle Beschäftigten erfolgen; die private Krankenversicherung (PKV) entfällt.
Die FDP will für Selbstständige eine Beitragsbemessung auf Grundlage der tatsächlichen Einnahmen mit Abschlagszahlungen vorab und einer endgültigen Beitragsberechnung auf Grundlage der Steuererklärung.
5. Wen dürfen wir in Ihrer Partei gezielt ansprechen, wenn es um Anliegen von Freiberuflern, Solo-Selbstständigen oder Wissensarbeitern geht?
Die Antwort auf diese Frage finden unsere Mitglieder im Mitgliederbereich — hier bietet sich ein Ansatzpunkt, die speziellen Interessen freier Übersetzer und Dolmetscher einzubringen bzw. unsere Anliegen mit anderen Berufsverbänden abzustimmen.
Alle antwortenden Parteien haben uns Ansprechpartner oder Arbeitsgruppen genannt, an die wir uns wenden dürfen.