Übersetzt von Eike Schönfeld, Christel Hildebrandt, Hakan Özkan, Maria Hummitzsch, Maria Hoffmann-Dartevelle, Andrea Blendl, Emilia Gagalski, Imke Brodersen, Susanne Schmidt-Wussow (von links nach rechts) und Stephanie Singh (liegend); Bildrechte: Imke Brodersen

Die Leipziger Buchmesse 2020 wurde wegen des Coronavirus leider abgesagt, doch wir möchten euch den geplanten Blogartikel zu Vertragsverhandlungen, Normseiten, VG-Wort, VDÜ, Beteiligungen und all den anderen schönen Details, die man als Literaturübersetzerin beachten sollte, nicht vorenthalten.

Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf eigenen Erfahrungen und Gesprächen, Informationen aus dem Handbuch Literarisches Übersetzen und verschiedenen Dateien, die der VDÜ zur Verfügung stellt. Dort könnt ihr selber weiterlesen, wenn ihr mehr Infos braucht. Außerdem erhebt dieser Artikel keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Jedes der hier angesprochenen Themen ist so groß, dass ihm eigentlich ein eigener Blogartikel zustünde. Deswegen reiße ich hier vieles nur an und bitte euch, euch weitergehend beim Verband (alexandra@dvud.de) und in eurem Netzwerk zu informieren.

Das Übersetzen von Literatur ist meiner Meinung nach eine der schönsten Beschäftigungen, die man als Übersetzerin so haben kann. Ich bin da bestimmt nicht ganz objektiv, deswegen sollte ich vermutlich auch darauf hinweisen, dass ich mir auch wahnsinnig oft die Haare wegen eines Textes raufe und einen Beruhigungstee mehr trinken muss. So schön und so nervig das Leben als Literaturübersetzerin auch sein kann, ist es eben nicht damit getan, einfach nur vor sich hin zu übersetzen und dem Verlag ein Dokument zu schicken, das dann von der Redaktion abgesegnet wird. Es gibt branchenübliche Standards, die man einhalten sollte und Verlage haben auch eigene Vorstellungen davon, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann.

Die Probeübersetzung: Wenn’s passen muss

Man hatte schon Kontakt zu einem Verlag, hat ein paar nette Mails ausgetauscht oder mal telefoniert, dann kam lange nichts, und dann, aus heiterem Himmel, wird man für eine Probeübersetzung angefragt. Wie reagiert man, was passiert als nächstes, worauf muss man bei der Probeübersetzung achten?

Wer sich schon mit Literaturübersetzungen beschäftigt hat, dürfte über die Normseite gestolpert sein. Dieser Begriff kommt noch aus der Schreibmaschinenzeit, ist aber nach wie vor die branchenübliche Berechnungsgrundlage. Eine Normseite besteht aus 30 Zeilen à maximal 60 Anschlägen und wird in einer nichtproportionalen Schrift beschrieben. Die anderen Einstellungen wie Seitenränder, Zeilenabstand und so weiter hängen hauptsächlich von dem Textverarbeitungsprogramm ab, das ihr benutzt. Damit ihr euch etwas Arbeit sparen könnt, haben wir im Mitgliederbereich eine Vorlage für Normseiten im .docx-Format hinterlegt, die ihr euch herunterladen könnt. Diese Normseite gilt natürlich auch für die Probeübersetzung, wenn ihr nichts anderes mit dem Verlag vereinbart. Einige Verlage rechnen lieber mit 1800 Zeichen (inklusive Leerzeichen) pro Seite ab (nach dem Motto „30 x 60 = 1800“). Dadurch fallen natürlich weniger Normseiten an, als er es bei der herkömmlichen Normseiteneinstellung wäre. Einige Kolleg*innen schlagen deshalb 20 % auf ihr Normseitenhonorar auf, wenn der Verlag mit 1800 Anschlägen abrechnen möchte.

Für die Verlage sind neue Übersetzer*innen ein gewisses Risiko, denn sie kennen deren Arbeitsweise nicht, wissen nicht, wie zuverlässig Abgabetermine eingehalten werden und was für ein Stil sie erwartet. Deshalb sollte die Probeübersetzung so rund wie möglich sein, damit der Lektor oder die Lektorin einen entsprechenden Eindruck von eurer Arbeit bekommt. Aber: Lektor*innen wissen ganz genau, wie sehr an Probeübersetzungen gefeilt wird. Dass es an dieser ersten Version möglicherweise nicht so viel zu korrigieren gibt, bedeutet nicht, dass die Übersetzerin dieses Niveau auch über die nächsten 300 Seiten durchhalten kann und nicht irgendwann nachlässig wird. Das soll auf keinen Fall heißen, dass ihr eure Probeübersetzung nicht besonders kritisch betrachten und „einfach losschicken“ sollt, damit der Verlag auch ja ein realistisches Bild von eurer Arbeit bekommt. Viel eher will ich damit ausdrücken, dass das kritische Hinterfragen der eigenen Arbeit später bei der Romanübersetzung mindestens genauso nötig ist wie bei der Probeübersetzung.

It’s all about the money

Das Honorar ist auch gleich ein gutes Stichwort, denn die Probeübersetzung sollte bezahlt werden. Auch wenn am Ende kein Übersetzungsvertrag zustande kommen sollte, investiert ihr doch eure Zeit und eure Energie in diese Probeübersetzung. Ihr könnt in der KNÜLL-Datei des VDÜ nachsehen, welche Seitenhonorare üblich sind und das als Verhandlungsgrundlage nutzen. Ganz wichtig: Nachverhandeln ist nahezu unmöglich, und KNÜLL davon lebt davon, mit Daten gefüttert zu werden. Bekommt ihr den Übersetzungsauftrag also, dürft ihr gerne das entsprechende Formular ausfüllen.

Das Seitenhonorar, das ihr für die Probeübersetzung verlangt bei erteiltem Übersetzungsauftrag noch mal nachzuverhandeln ist wie gesagt beinahe unmöglich. Doch als Übersetzerin ist man keinesfalls darauf angewiesen, für die Dauer der Übersetzung am Hungertuch zu nagen, bis 30 Tage nach Abgabe des Manuskripts das Honorar auf dem Konto landet. Oft wird mit dem Verlag ein Vorschuss verhandelt, der auch im Vertrag (siehe unten) festgehalten wird.

Außerdem sollten Übersetzer*innen eine Beteiligung an den verkauften Exemplaren bekommen. Der Verlag legt einen Prozentsatz des Nettoladenpreises fest, der dem Übersetzer oder der Übersetzerin zusteht. Oft greifen Beteiligungen erst ab dem 5000. verkauften Exemplar. Der VDÜ plädiert für eine Beteiligung ab dem ersten Exemplar. Hier wird bei den Prozenten oft zwischen Hardcover, Taschenbuch und E-Book unterschieden.

Für Übersetzer*innen, die schon veröffentlichte Bücher vorweisen können, gibt es die Möglichkeit, diese bei der VG Wort zu melden und dort an der jährlichen Ausschüttung beteiligt zu werden. Wie hoch der Betrag ist, der dabei letztendlich herausspringt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, doch wenn die VG Wort gar nicht weiß, dass sie für euch zuständig ist, kann sie euch auch nichts ausschütten. Ihr müsst selber aktiv werden und einen Wahrnehmungsvertrag abschließen. Achtet dabei darauf, dass die Meldung rückwirkend gilt: Ihr müsst bis zum 31.12. die Vertragsunterlagen per Post an die VG Wort schicken, um die Bücher geltend zu machen, die ihr im letzten Jahr übersetzt habt. Später sind Meldungen online möglich; die Meldefrist ist dann der 31.1. des Folgejahrs.

Der offizielle Vertrag

Zwar zählen auch E-Mails als vertragliche Absprachen, doch versenden die Verlage einen postalischen Übersetzungsvertrag, der alle Details wie Bezahlung, Beteiligungen, Belegexemplare und so weiter regelt. Auch hier ist der VDÜ eine großartige Anlaufstelle, denn er hat sich mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels auf einen Normvertrag geeinigt, der seit dem 1.6.2019 gilt. Auch, wenn der Vertrag, den ihr vom Verlag bekommt, möglicherweise leicht abweicht, ist das Dokument eine tolle Orientierungshilfe, die man sich unbedingt anschauen sollte. Außerdem hat der VDÜ ein Dokument zur Übersetzernennung herausgegeben, das gute Anstöße liefert.

Wie ihr seht, gibt es viele Bereiche, um die sich Literaturübersetzer*innen neben ihrem eigentliche Übersetzungsauftrag noch kümmern müssen – und die oben genannten Beispiele sind noch längst nicht alles Lasst euch auf gar keinen Fall von dem Papierkram dahinter oder von den Übersetzungsproblemen abschrecken. Denn das erste selbst übersetzte Buch in den Händen zu halten, ist die gerauften Haare allemal wert.

Autorin: Alexandra Jordan übersetzt vor allem Computerspiele und Literarisches, lektoriert Texte aller Art und unterstützt den DVÜD e. V. als stellvertretende Beiratsvorsitzende.

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