(Stand: 16.03.2020; aktualisiert 19.03.2020) Vorweg: Diese Recherchen für Solo-Selbstständige orientieren sich an den Bedürfnissen von freiberuflichen Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen jeglicher Fachrichtung. Manche Hinweise und Links sind sicher auch für verwandte Berufsgruppen von Bedeutung. Es ist ein buntes Sammelsurium, das euch in diesen turbulenten Zeiten hoffentlich ein wenig weiterhilft.
Unsere Kernkompetenzen
Bei den Diskussionen der vergangenen Wochen in den sozialen Medien schälte sich heraus:
Kernkompetenz Nummer 1 freiberuflicher Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen ist, dass wir gründlich recherchieren, Quellen prüfen und den genauen Wortlaut erfassen und hinterfragen.
Kernkompetenz Nummer 2 ist, dass die breite Mehrheit der Übersetzer:innen ohnehin im Homeoffice arbeitet. Und auch die Dolmetscher:innen bereiten sich ja flexibel vor. Das heißt, wir sind technisch vollständig eingerichtet, haben uns mit Datenschutz und Sicherheitsmaßnahmen auseinandergesetzt und haben in der Regel auch eine gute Internetversorgung. Die Eltern unter uns kennen das Dauerdrama von 13 Wochen Schulferien und haben längst Strategien, wie man damit umgeht.
Kernkompetenz Nummer 3 ist die internationale Vernetzung unter Kollegen. Die erleichtert das schnelle Nachfragen, ob man etwas richtig verstanden hat. Die meisten von uns sind in internen Communities ihrer Sprachen vernetzt.
Kernkompetenz Nummer 4 ist unsere Flexibilität, mit der wir uns auf neue Anforderungen und Vorgehensweisen einstellen und uns in aktuelle Themengebiete einarbeiten.
Verständigung in Deutschland
In manchen Sprachen steigt der Übersetzungsbedarf gerade stark an. Bitte teilt seriöse mehrsprachige Angebote, die vielen helfen können, in euren Netzwerken und lokalen Gruppen. Ich denke da beispielsweise an das Kultusministerium NRW, das seine Informationen zu Schulschließungen in 10 Sprachen bereitstellt.
Die solidesten und vertrauenswürdigsten Hinweise zum Virus SARS-CoV-2 und der Lungenkrankheit COVID-19 findet ihr auf Deutsch beim RKI und auf Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch bei der WHO bzw. deren jeweiligen Landessektionen. Das Regionalbüro für Europa verlinkt auf andere europäische Länder (Texte teilweise nur auf Englisch).
Dolmetschen
Hinweise zur professionellen Durchführung von Ferndolmetschen hält die AIIC in drei Sprachen bereit, auf Englisch, Deutsch und Spanisch. Überlegt auch, ob ihr euren Auftraggebern neue, andere Leistungen anbieten könnt, zum Beispiel die Erstellung mehrsprachiger Glossare, einen Podcast wie diesen von Michaela Haller oder eine Untertitelung/Einsprechen von Videos oder Webinaren (Verschiebung eures Geschäftsmodells). Macht ihnen bewusst, wie existentiell die Krise für euch ist, aber auch, welche Chancen für euren Auftraggeber aus eurer Sicht bestehen.
Eine gute Übersicht für abgesagte Messen gibt es bei Expodatabase.
Prüft eure AGB: Was steht da zur Frage eines Ausfallhonorars bei Absage von Kundenseite oder durch andere Stellen („höhere Gewalt“)? Was wollt ihr künftig vereinbaren? Wie kulant könnt ihr als Solo-Selbstständige sein? Zieht gegebenenfalls einen Anwalt oder eine Anwältin hinzu, falls ihr Formulierungen überarbeiten möchtet.
Branchenveranstaltungen, Events
Die meisten Branchenveranstaltungen sind angesichts zunehmend restriktiver Vorgaben bereits abgesagt. Bitte beachtet die Updates im Kalender und insbesondere die dort verlinkten Websites der Veranstalter – die BP20 beispielsweise soll online stattfinden.
Bahntickets, die bis zum 13. März 2020 gebucht wurden, können storniert werden, wenn der Reiseanlass entfällt (oder vielleicht inzwischen Einreisesperren bestehen) – aus Kulanz der Deutschen Bahn gilt das auch für Supersparpreise. Die nötigen Formulare findet ihr auf der Website der Deutschen Bahn; es wird auf eine längere Bearbeitungszeit verwiesen als gewohnt. Normalpreise sollte man bei Online-Buchungen bevorzugt im eigenen Kundenzugang stornieren.
Digitale Nomaden
Ihr seid irgendwo im Ausland gestrandet und kommt dort nicht mehr weg? Tragt euch beim Meldeportal Elefand ein, damit die Botschaft des betreffenden Landes erfährt, dass ihr dort seid und wo ihr steckt, und euch gegebenenfalls kontaktieren kann. Aktuell versucht die Lufthansa, möglichst viele Bürger zurückzuholen.
Wirtschaftliche Fragen für Solo-Selbstständige
Solo-Selbstständige, die noch keine ausreichenden Rücklagen für längere Auftragspausen bilden konnten, drohen durch alle Maschen zu rutschen. Eine gute Zusammenfassung liefert der Artikel „Auf sich alleine gestellt“ der Süddeutschen Zeitung vom 16. März 2020. Unsere Dachverbände AIIC, FIT und WASLI haben sich schon am 6. März in einem gemeinsamen Appell an die internationale Politik und alle zuständigen Institutionen gewandt, einen so stark auf Freiberuflern basierenden Bereich wie die Übersetzer und Dolmetscher bei ihren Maßnahmen nicht zu vergessen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) hat angekündigt, dass die „Bazooka“ auch für Freiberufler und Solo-Selbstständige gelten soll, zunächst über KfW-Kredite (über die Hausbank beantragen). Das Maßnahmenpaket steht auf Deutsch und Englisch online bereit. [Edit 19.3.20:] Die KfW beantwortete unsere Anfrage zu Hilfen für Dolmetscher folgendermaßen:
Ihre Anfrage ist uns wichtig und wir verstehen, dass Dolmetscher mit Ihrem Unternehmen im Moment in einer schwierigen Situation sind.
Quelle: KfW, Schreiben an den DVÜD vom 16.3.20
Als Hilfe hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen, wir als KfW erleichtern den Unternehmen, sich mit Liquidität in dieser Ausnahmesituation zu versorgen.
Für jede Unterstützung gilt: die Beantragung erfolgt durch die Hausbank bzw. den Finanzierungspartner. Die Kredite, die wir zur Verfügung stellen finden Sie auf www.kfw.de/corona-hilfe. Diese Seite wird ständig aktualisiert.
Andere Gelder stellen wir zur Liquiditätserleichterung nicht zur Verfügung.
Wenn Sie konkrete Fragen haben, für die Sie auf unserer Internetseite keine Antwort finden, rufen Sie uns bitte an. Wir weisen Sie bereits jetzt darauf hin, dass es momentan zu erheblichen Wartezeiten kommt
Eine ausgezeichnete, regelmäßig aktualisierte Übersicht über derzeitige finanzielle Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung bietet auch das Gründerlexikon. [Ende Edit]. Bitte informiert euch tagesaktuell auf der Sonderseite des BMWi.
Auch künstlerisch Tätige sollen nicht vergessen werden. Zum Beispiel sollen öffentliche Gelder bei coronabedingter Absage einer geplanten Veranstaltung nicht wie üblich zurückgefordert werden. Informiert euch also bitte genau und sprecht mit den Auftraggebern.
Kontaktaufnahme lohnt sich bei Bedarf auch mit dem Finanzamt: Ihr könnt beantragen, fällige Nachzahlungen zu stunden, und über das Steuerportal Elster (oder eure Steuerberater:in) beantragen, eure Steuervorauszahlung anzupassen. Achtung, wenn ihr dann doch mehr verdient, müsst ihr mit Nachzahlungen rechnen und dafür Geld zurücklegen.
Wer in der KSK versichert ist, kann das voraussichtliche Arbeitseinkommen (Link führt zu PDF-Formular) unkompliziert anpassen – dann sinken sofort die Sozialbeiträge (aber nicht rückwirkend).
Freiwillig gesetzlich krankenversicherte Selbstständige können bei einem Gewinneinbruch von über 25 Prozent ihre Beiträge reduzieren lassen. Dazu benötigt ihr einen aktualisierten Vorauszahlungsbescheid eures Finanzamts. Achtung, auch die Kranken- und Pflegebeiträge werden nachträglich überprüft – es kann Rückzahlungen seitens der Krankenkasse geben, aber bei wider Erwarten höherem Einkommen kann es auch zu Nachforderungen kommen. Bildet in solchen Fällen unbedingt ausreichende Rücklagen!
Und zu guter Letzt: Bitte bleibt bis auf Weiteres so viel wie irgend möglich zu Hause und achtet auf Distanz zwischen euch und euren Mitmenschen. Lasst uns im Gespräch bleiben und spielt eure Kernkompetenzen aus. #stayhomechallenge #flattenthecurve