Wie lässt sich die Sichtbarkeit für Übersetzerinnen und Übersetzer erhöhen, wenn diese für ihre Arbeit Ruhe, Konzentration, Nachdenken und breite Möglichkeiten zum Recherchieren brauchen? Was können Einzelne tun, was die Verbände, was die Verlage oder Buchmessen?
In dieser dritten Nachlese zur European Conference on Literary Translation (Rencontres européennes de la traduction littéraire) in Straßburg im Oktober 2024 werden Aktionen und Kampagnen für mehr Sichtbarkeit vorgestellt.
Blog von Looren
Das Übersetzerhaus Looren veröffentlicht auf seinem Blog in verschiedenen Sprachen Geschichten von Übersetzenden besonders natürlich von den dortigen Gästen. Lies mal rein! Und wenn du selbst eine passende Geschichte aus dem Übersetzungsalltag zu erzählen hast, dann nimm bitte mit Janine Messerli in Looren Kontakt auf, die uns ausdrücklich in Straßburg aufgefordert hat: „Erzählt uns eure Geschichte!“
Mehr Sichtbarkeit im Internet
In den Social Media kann man gut die Sichtbarkeit der menschlichen Urheber und Urheberinnen verbessern. Achte auf diese Hashtags für mehr Sichtbarkeit und teile, was dir davon gefällt!
Kampagnen gibt es zum Beispiel zum Welttag des Buches (23. April) mit #translatingismysuperpower, aber auch wöchentlich am #CEATLfriday (Facebook, Instagram, X, LinkedIn) oder einmal monatlich auf Instagram mit #WeekInTranslation. Besonders zum Internationalen Übersetzertag (30. September) geht es zudem viel um #namethetranslator.
Übersetzernennung
Du hörst eine klassische Sinfonie – aber je nach Orchester ist die Interpretation sehr unterschiedlich. Genauso ist es bei übersetzten Werken. Laut Berner Konvention und Übereinkunft von Nairobi haben die Übersetzenden urheberrechtlich geschützter Werke das Recht, überall als Mitautoren genannt zu werden – auf der Verlagsseite, in Katalogen, Bibliotheken, im Internet und auch in Rezensionen in Presse, Rundfunk und TV.
Spätestens bei den bibliografischen Angaben fordern Übersetzende ausdrücklich: Name the Translator. Sonst entfällt der Name nämlich in den Katalogen der Buchanbieter oder Bibliotheken. Spätestens bei den Ausschüttungen der VG Wort kann das für uns empfindliche finanzielle Folgen haben. Auch wenn in übersetzten Werken die sprachliche Gestaltung gelobt wird, wäre der Hinweis erfreulich, dass dieses Buch nicht auf magische Weise auf Deutsch vom Himmel gefallen ist, sondern von einer namentlich bekannten Person (oder einem Team) übersetzt wurde. Der Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. hat zur Übersetzernennung Handreichungen für Buchverlage, Presse, Bibliotheken und Literaturfestivals erstellt (am PC in der grauen Leiste über dem Hauptmenü bei “Übersetzernennung” die gewünschte Zielgruppe anklicken).
Wenn also mal wieder der Name des Übersetzers oder der Übersetzerin fehlt – bitte immer reagieren, ob im Internet oder über eine Mail an die verantwortliche Person oder Redaktion. Das passende PDF oder den Link (siehe oben) einfach mitschicken. Es ist kein Bitten um freundliches Entgegenkommen, sondern international anerkanntes Recht.
Sichtbarkeit auf dem Cover
In der Initiative Translators on the cover arbeiten Verbände, Übersetzende und die Europäische Kommission international auf mehr Sichtbarkeit schon auf dem Cover hin. Es gibt wunderschöne Cover, aus denen hervorgeht, wem wir es verdanken, dass wir ein ursprünglich fremdsprachiges Buch in deutscher Übersetzung lesen können.
Der Verlag mare macht das konsequent seit 20 Jahren, ein aktuelles Cover von 2024 ist hier verlinkt. Das einzige Beispiel aus meinen dicht und zweireihig bestückten Bücherschränken ist auf meinem Beitragsfoto zu sehen (Edition Converso).
Und beim Fahnden nach Covern mit dem Hinweis “übersetzt von” entdeckte ich beispielsweise in einer WDR-Besprechung von Christoph Orem ein bildhübsches Cover aus dem Berenberg-Verlag.
Ein Positivbeispiel kommt von Penguin junior (2024): bekanntes Kinderbuch neu übersetzt mit Übersetzernennung auf dem Cover). Ein Negativbeispiel erschien ein paar Jahre früher (Heyne, 2016) in derselben Verlagsgruppe: Ebenfalls bekannter Titel und Autor mit dem Zusatz “neu übersetzt” – aber der Name des Übersetzers bleibt auf dem Cover geheim.
In der Übersetzerszene gibt es den Spruch: “Das musst du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren.” Laut einem wunderschönen taz-Nachruf von Rolf Sotschek von 2015 war er “der einzige deutschsprachige Übersetzer, dessen Name genauso groß auf den Umschlag gedruckt wurde wie der des Autors.”
Das sind keine Empfehlungen oder Affiliate-Links, einfach nur ein Zeichen: Es geht, wenn man will. Dein Verlag fördert auch auf diese Weise Professionalität und Sichtbarkeit? Dann schreib gern in die Kommentare und weise hier darauf hin.
Das i-Tüpfelchen bei den aktuellen Aktionen ist der Hashtag #HumanTranslator – mehr dazu auch im Gastbeitrag von Tora von Collani und Brian Poole vom 17. November 2024 hier auf dem DVÜD-Blog. Denn im Gegensatz zur KI denken Menschen beim Übersetzen mit. Ein menschliches Gehirn wägt sorgfältig ab, was dem Original gerecht wird.
Die Übersetzung soll in der Zielsprache eine inhaltliche, interkulturelle und ästhetische Auseinandersetzung mit dem Werk ermöglichen. Übersetzerinnen denken oft schon beim Formulieren an die Person, die den Text später als Hörbuch einsprechen soll (Sprachrhythmus, Zungenbrecher, rhetorische Mittel), aber auch an diejenigen, die ihn hören werden. Wir fragen Personen aus den Zielgruppen, diskutieren knifflige Stellen mit vertrauenswürdigen Kolleg:innen und bekommen am Ende noch wichtiges Feedback vom ebenso menschlichen Lektorat.
Mehr erfahren – Update
Das CEATL e-zine Counterpoint informiert über zahlreiche berufliche Themen, bringt am Ende jeweils eine Click List in die Übersetzerwelt und erscheint zweimal im Jahr auf Englisch und Französisch. Das Abo ist kostenlos, und man kann auf der Website auch gezielt einzelne Artikel abrufen. Geht stöbern!
Im ersten Nachlesebeitrag zur Konferenz vom 3. November 2024 ging es um das Spannungsfeld zwischen den Schriftsteller*innen und denen, die sie in andere Sprachen und Kulturräume übersetzen, außerdem um die Thematik von Selbstzensur und staatlicher Zensur.
Ein zweiter Nachlesebeitrag vom 24. November 2024 behandelt Förderprogramme und Netzwerke für Verlage, Schreibende und Übersetzende mit zahlreichen Ausgangs- und Zielsprachen.
Natürlich haben wir uns auf der Konferenz auch über berufspolitische Aspekte und den Einfluss von KI auf kreative Arbeit ausgetauscht. Sobald hierzu die Nachlese vorliegt, wird sie an dieser Stelle nachträglich verlinkt.
Wer das Event verpasst hat, kann die Aufzeichnungen noch immer online ansehen: Alle Präsentationen und Panels sind inzwischen auf YouTube hinterlegt. Die Links findet ihr auf der Website des Veranstalters https://www.ceatl.eu/achievements/strasbourg-conference – erst die Sprache wählen (Deutsch, Englisch, Französisch), dann kommst du weiter. Es lohnt sich!