„Ja, kommen denn heute nur Übersetzerinnen?“, fragte meine Orthopädin verdutzt, als sie mir kurz nach Neujahr eine schmerzhafte Wirbelblockade löste und gefragt hatte, was ich beruflich mache. Daraus lernte ich: (1) Übersetzerinnen arbeiten selbst und ständig auch „zwischen den Jahren“, und (2) als Selbstständige sollten wir uns dringend mit Grundlagen der Ergonomie befassen.

Das Küchentisch-Klischee

eine Person sitzt auf einem gewöhnlichen Stuhl vor einem Fenster, hält eine Tasse und schreibt auf dem Notebook auf der Fensterbank.
Photo by Andrew Neel on Unsplash

Eines der meistgehassten Klischees unserer Branche ist die Übersetzerin am heimischen Küchentisch, die mit dem Kind auf dem Schoß und dem Topf auf dem Herd ihre Übersetzung ins Notebook hämmert.

Ähnlich gruselig ist die Darstellung auf dem Stockfoto zu diesem Beitrag: Hier sind Nackenschmerzen ebenso vorprogrammiert wie schmerzende Unterarme, Hände und Finger. Ergonomie ist für Wissensarbeiter daher ein wichtiges Thema.

Ein Tisch, ein Stuhl, ein Notebook?

Für die ersten Aufträge reicht diese Ausstattung vielleicht. Um kein Dauergast beim Orthopäden zu werden, sollte man die ersten Einnahmen in leistungsfähige Technik und die eigene Gesundheit investieren. Das gehört ins (separate, abschließbare) Arbeitszimmer:

  • Bürostuhl: Der Stuhl muss Körpergröße und Gewicht entsprechen. Sitzhöhe (stufenlos verstellbar), Sitzfläche (bequem und beckenfreundlich), und Rückenlehne sollten aufrechtes, aber dynamisches Sitzen unterstützen. Bei Stühlen mit Punktsynchronmechanik kann man die Neigung von Sitzfläche und Rücklehne perfekt einstellen. Die Lordosestütze muss genau auf die eigene Wirbelsäule angepasst werden. Der Bezug sollte atmungsaktiv sein – schließlich sitzt man oft sehr lange und im Sommer auch bei hohen Temperaturen auf dem Stuhl. Normalerweise werden Armlehnen (stufenlos verstellbar und im passenden Abstand) empfohlen. Ich persönlich mag sie nicht, weil sie bei meiner Arbeitsweise allenfalls die Ellenbogen abstützen. Dort verläuft aber an der Außenseite ein Nerv (Nervus ulnaris), der auf Dauerdruck ziemlich empfindlich reagieren kann.
  • Schreibtisch: Im Idealfall ist er stufenlos verstellbar und kann für flexibleres Arbeiten elektrisch zum Stehpult hochgefahren werden. Dann könnte ein Sitzhocker eine gute Ergänzung sein.

Hilfsmittel für mehr Ergonomie

Schreibtisch und Stuhl sind nur der Anfang. Wer regelmäßig schwierige, lange Texte produziert, sollte sich professionelle Büroausstattung ansehen. Ein paar Beispiele, was es so alles gibt:

  • Ein Tastaturauszug gilt heute eher als altmodisch. Ich mag ihn, weil ich damit im Sitzen meine perfekte Schreibhöhe erreiche – Ellenbogen auf 90 Grad angewinkelt, Augen auf Höhe der Bildschirmoberkante.
  • Tastatur: Manche hassen ergonomische Tastaturen – ich liebe meine so sehr, dass ich bei jedem Tausch eine Ersatztastatur nachbestelle. Bei geübten 10-Finger-Schreibern knicken damit die Handgelenke nicht ab bzw. man kann die Ellbogen bequem neben dem Körper hängen lassen. Getauscht wird, sobald einzelne Tasten haken: Für mich muss eine Tastatur butterweich und leise sein. Wenn zwischendurch die Buchstaben abgerieben sind (bei mir nach spätestens 6 Monaten), kann man mit Tastaturaufklebern arbeiten. Jede Tastatur sollte eine Handballenablage haben.
Ergonomische Tastatur und Maus auf Tastaturauszug für mehr Ergonomie am Arbeitsplatz
Foto: Imke Brodersen
  • Maus: Sowohl das Tippen auf der Tastatur als auch der Umgang mit der klassischen Maus (Schieben, Ziehen, Klicken) können zum Repetitive-Strain-Injury-Syndrom führen – Mikroverletzungen der Sehnen, Nerven und des Bindegewebes in Händen und Unterarm. Das ist schmerzhaft, langwierig und mit Produktivitätsausfall verbunden. Meine Rollerball-Maus (eigentlich ein Gaming-Accessoire) ist in der Handhabung gewöhnungsbedürftig. Mir hat sie Daumen, Zeigefinger und Sehnenscheiden gerettet. Hält ewig, kommt ohne Mauspad aus und hat einen festen Platz auf dem Schreibtisch (platzsparend). Hin und wieder nehme ich die Kugel heraus und reinige die Sensorfenster. Probiere verschiedene Typen aus: Die Maus muss zur Handgröße passen. Eine noch neue Alternative ist die Rollermouse. Ich selbst habe sie noch nicht ausprobiert, Kolleginnen schwören bereits darauf, zumal man mit diesen Mäusen mit Links und Rechts arbeiten kann.
  • Headset: Ein hochwertiges Headset ermöglicht bequemes Telefonieren am Arbeitsplatz und ist Grundvoraussetzung für die Arbeit mit professionellen, personalisierbaren Diktierprogrammen. Vielschreiber sollten Diktieren unbedingt ausprobieren und sich von ersten Misserfolgen nicht abschrecken lassen. Man kann sich dabei bewegen, umherlaufen, gestikulieren und vieles mehr. Umgekehrt kann man sich Texte zur Korrektur vorlesen lassen und am Bildschirm nachbearbeiten – das entlastet die Augen, und beim Hören fallen missglückte Formulierungen eher auf.
  • Fußschalter: Ein Fußschalter (Pedal) hilft, wenn man regelmäßig transkribiert (beispielsweise beim Untertiteln). Er entlastet die Hände und erleichtert das Vor- und Rückspringen im Text.
  • Kabelsalat: Kabel auf dem Fußboden sind Staubfänger und Stolperfallen. Wenn sie sich nicht vermeiden lassen, kann man sie mit Kabelschläuchen bündeln – dann ist die Stolperfalle besser sichtbar und nur an einer Stelle gefährlich. Am besten verschwinden alle Kabel in Kabelschächten am Tisch.

Augenfreundlich arbeiten

Ergonomie betrifft nicht nur das Muskel- und Skelettsystem und die Nerven, sondern auch die Augen.

  • Monitore: Ein matter Bildschirm hilft gegen störende Reflexionen – besonders beim Arbeiten im Freien. Ich arbeite seit Jahren mit 2 großen Monitoren, sodass mehrere Fenster nebeneinander passen. Eine Offenbarung im Zusammenhang mit Altersweitsichtigkeit war der augenfreundliche Curved Monitor (wieder aus dem Gaming abgeguckt). Der Monitor sollte nicht zu groß sein: Bei hoher Auflösung wird die Darstellung sehr klein. Aktuell werden tiefer stehende, neigbare Bildschirme empfohlen – befasse dich in Ruhe mit den Hinweisen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Ergonomie für Bildschirm- und Büroarbeitsplätze (PDF: DGUV Information 215-410, ab Seite 46). Diese Tipps helfen auch uns Freiberuflern!
  • Tageslicht: Augen und Psyche lieben Tageslicht. Ideal ist ein seitlicher Lichteinfall ohne direkte Sonneneinstrahlung.
  • Beleuchtung: Spätestens im Winter muss das Arbeitszimmer hell sein, aber möglichst diffus beleuchtet. Ich nutze aktuell eine flächige LED-Deckenleuchte direkt über dem Schreibtisch. Für die Arbeit mit gedruckten Büchern ist bei genügend Platz ein hell ausgeleuchteter zweiter Schreibtisch hilfreich.
  • Bildschirmbrille: Bildschirmarbeit strengt die Augen an. Kontaktlinsen sind oft problematisch, weil durch weniger Lidbewegungen zu wenig Tränenflüssigkeit erzeugt wird (siehe auch unsere Videoempfehlung vom 15. Mai 2020). Eine Bildschirmbrille ist auf etwa 40 cm Abstand zu den Monitoren ausgerichtet. Falls du auch mit Papierdokumenten arbeitest, sollte sie eine auf den Abstand zur Dokumentenfläche zugeschnittene Gleitsichtkomponente haben. Lass dich von deinem Optiker beraten!

Regelmäßige Pausen

Der beste Arbeitsplatz hilft nichts, wenn man ihn nicht mehr verlässt. Mindestens einmal pro Stunde sollten fünf Minuten Pause drin sein: Aufstehen, räkeln, aus dem Fenster blicken, ein Glas Wasser trinken. Das schaffst du nicht? Dann lass dich von einem Gerät oder einer App an deine Pausen erinnern (zum Beispiel nach der Pomodoro-Technik) – nur nicht in der Pause in die Social Media hinüberwechseln!

Jegliche körperliche Tätigkeit (die Post holen, Blumen gießen, das Büro saugen, die Maus putzen oder eine Runde mit dem Hund) verschafft Kopf und Augen eine Auszeit. Dabei arbeitet das Unterbewusstsein weiter und findet bessere Formulierungen. Solange ich die Deadlines einhalte, kann ich mir als Freiberuflerin Arbeits- und Pausenzeiten selbst einteilen – für dauerhafte Motivation und Leistungsfähigkeit.

Ergänzung: Es ist sehr hilfreich, wenn im Notfall ein Verbandskasten parat liegt, auch wenn es (bei Freiberuflern ohne Mitarbeiter) “nur” um die eigene Gesundheit geht.

Disclaimer: In diesem Artikel erwähnte oder abgebildete Produkte dienen allein der Information und Veranschaulichung, sind also im Zweifelsfall als „Werbung ohne Auftrag“ einzustufen. Es gibt diverse Konkurrenzprodukte und regelmäßige Marktchecks und Tests von großen Zeitschriften und Plattformen (zum Beispiel Stiftung Warentest oder CHIP).

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