Gastartikel von David Terhart

Dieser Blogartikel ist Teil der DVÜD-Themenwoche für Existenzgründer 2020. Und klar, Tipps für Existenzgründer gibt es wie Sand am Meer. Die spare ich mir und berichte stattdessen etwas anekdotenhaft von mir als Quereinsteiger. Ganz am Ende finden sich dann aber auch noch zwei Tipps zum Weiterlesen.

So wurde ich zum Quereinsteiger

Ich bin kein Quereinsteiger in dem Sinne, dass ich aus einem anderen Beruf zum Übersetzen gewechselt bin, sondern habe eher etwas orientierungslos den richtigen Beruf gefunden.

Wegweiser am Wegrand mit der Aufschrift "Zu den Wegweisern"
Copyright: David Terhart

Nach sechs Semestern Anglistik und Kulturwissenschaften im Magisterstudium wechselte ich zur Informatik (Abschluss Bachelor). Ein Highlight war dabei das Erasmus-Semester in Eindhoven. Vor und während des Aufenthalts habe ich nämlich fleißig Niederländisch gelernt, und dabei ist auch die Idee des Übersetzens entstanden. Zurück in Berlin fand ich den Einstieg durch ein unbezahltes Praktikum bei einer mittelgroßen Übersetzungsagentur, wo ich Englisch -> Deutsch übersetzen durfte und Teil eines Teams war, das fast ausschließlich für einen Endkunden, einen großen Softwareanbieter, arbeitete. Dann kündigte ich meine Praktikumsstelle, weil ich einen bezahlten Nebenjob im Bereich Softwaretests und -dokumentation fand, doch mein direkter Vorgesetzter bei der Agentur wollte mich zurückhaben und rief mich an mit dem Angebot einer bezahlten Stelle als studentische Hilfskraft. So wurde ich im Laufe der Jahre zum festangestellten Mitarbeiter, der übersetzte, korrigierte und im Projektmanagement half. Eine tolle Zeit, vor allem dank der Kolleginnen und Kollegen und meines Vorgesetzten, der leider vor ein paar Jahren verstorben ist. Die Wertschätzung, die ich durch seinen Anruf erfahren habe, werde ich nie vergessen.

Irgendwann wurde mir aber bewusst, dass ich mich zwischen Karriere in der Agentur (Projektmanager) und Freiberuflichkeit entscheiden muss. Auch durch den Umzug von Berlin nach Leipzig war recht klar, dass ich den risikoreicheren Weg wählen wollte. So bin ich nun seit 2009 freiberuflicher Übersetzer (zunächst in Teilzeit, seit 2011 komplett). Die Erfahrungen aus der Festanstellung haben mir sehr viel gebracht, gerade im Umgang mit Agenturen, die immer noch den überwiegenden Teil meiner Kunden ausmachen.

Viele Wege führen nach Rom

Heute ist mir klar: Es gibt nicht den einen Weg. Es gibt auch nicht zehn verschiedene Wege. Es gibt unzählig viele Wege und Methoden, als selbstständiger Übersetzer zu arbeiten.

Allerdings sind meines Erachtens für jeden Selbstständigen folgende Fähigkeiten unabdingbar:

  1. Sprachliche und fachliche Qualifikation
    Ohne diese beiden Pfeiler steht das Übersetzerhaus nicht. Da ich sowohl die Sprachen (Englisch und Niederländisch) als auch das Fach (Informatik) studiert hatte, hatte ich bereits gute Voraussetzungen beim Start als Übersetzer.
  2. Marketing
    Als Freiberufler ist man Unternehmer. Heutzutage ist das kaum möglich ohne eigene Webseite und/oder Profile auf Plattformen wie LinkedIn oder ProZ.com, es sei denn, man hat andere Zugänge zu seinen Kunden, z. B. über langjährige Beziehungen.
    Mehr oder weniger Akquise ist unerlässlich. Ich habe es im Laufe der Jahre über Messebesuche (CeBIT, tekom-Tagung) versucht, aber gemerkt, dass mir das nicht liegt. Für mich persönlich hat das „Gefunden werden“ über Website, proz.com, Google, LinkedIn und das Netzwerken mit Kollegen auf Konferenzen, Stammtischen und über Facebook besser funktioniert. Ich habe quasi per „Trial and Error“ (Versuch und Irrtum) herausgefunden, welche Methode der Kundengewinnung für mich am geeignetsten ist.
  3. Sorgfalt und Termintreue
    Was selbstverständlich klingt, ist es nach meiner Erfahrung leider nicht. Ich plane immer so, dass ich meine Termine definitiv einhalten kann. Ich erzwinge Sorgfalt, indem ich bei jedem Auftrag immer die Rechtschreibprüfung durchführe und die Übersetzung gegen das Original korrekturlese.

Lesetipps

Wer oben beim Einblick in meinen persönlichen Werdegang leicht gegähnt hat, dem sei stattdessen die aktuelle Reihe von Interviews mit etablierten Übersetzer*innen im Blog Überleben als Übersetzer von Miriam Neidhardt empfohlen. Dort berichten unter anderem die DVÜD-Mitglieder Erik Hansson und Gabi François von ihren ersten Aufträgen und geben Tipps für Berufsanfänger. Sehr unterhaltsam und lehrreich!

Allen Berufsanfängern kann ich das Buch How to Succeed as a Freelance Translator von Corinne McKay empfehlen. Meine Ausgabe von 2006 ist zwar stellenweise veraltet, aber die grundlegenden Tipps halte ich für allgemeingültig.

Und ganz zuletzt: Für den direkten Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen empfehle ich den Besuch eines Stammtischs. Der DVÜD bietet sie in Köln, Osnabrück, Mannheim, Leipzig, Dresden, Frankfurt a. M. und der Südpfalz an, siehe Termine. Seit der Coronakrise treffen wir uns online.


* P. S.: Wieso „und solche, die es werden wollen“? Der Zusatz soll eigentlich nur den Titel auflockern, denn absichtlich zum Quereinsteiger werden wahrscheinlich nur die wenigsten.

David Terhart ist seit 2015 Mitglied des DVÜD. Er übersetzt englische und niederländische Texte in den Fachbereichen IT, Marketing und Technik.

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