Ein Gastbeitrag von Daniel Landes und Lucas Plischke

Freiberufliche Übersetzende und Projektkoordinator*innen leisten bei der Lokalisierung von Videospielen einen großen Teil der Arbeit. Eine gute Beziehung zwischen den beiden Berufsgruppen ist daher elementar wichtig für den Erfolg eines Projektes. Aber weiß die jeweils andere Seite auch, wie man den Kooperationspartner*innen das Leben erleichtert? Im folgenden Gespräch zwischen einem ehemaligen Freelancer (Daniel Landes) und einem Projektkoordinator (Lucas Plischke) wollen wir genau das herausfinden.

Lucas Plischke: Ich heiße Lucas und bin Projektkoordinator für die Lokalisierung von Videospielen. Meine Aufgabe besteht darin, die praktische Übersetzungsarbeit an Videospielen zu koordinieren. Da Videospiele sehr umfangreich sein können, arbeiten oft viele Übersetzer*innen und Reviewer*innen gleichzeitig an einem Projekt. Daher braucht es hier Manager*innen, die langfristig den Überblick behalten und die verschiedenen Abläufe gegebenenfalls anpassen.

Für meine Arbeit greife ich auf Freelancer*innen zurück, die ich kontaktiere und mit denen ich den Umfang und die jeweilige Deadline eines Jobs aushandle. Im Arbeitsalltag bin ich damit die zentrale Kontaktperson der Freelancer*innen, wenn es um Inhaltliches und Organisatorisches geht. Die Aushandlungen von Preisen und Arbeitsbedingungen dagegen fallen nicht in mein Resort und müssen an anderer Stelle abgeklärt werden.

“Ich fungiere auch als kommunikative Brücke zwischen allen Beteiligten.”

Lucas Plischke, Projektkoordinator

In meiner Rolle fühle ich mich oft wie ein Vertreter, denn es ist mein Job, die Wörter an die Frau oder den Mann zu bringen. Da Freelancer*innen sich aussuchen können, für wen sie an welchem Projekt arbeiten, muss ich hin und wieder ein bisschen feilschen, um die oft immensen Wortmengen rechtzeitig zu bewältigen. Andererseits sehe ich mich auch als Dienstleister gegenüber unseren Freelancer*innen, denn es ist in meinem Interesse, dass diese ihre Arbeit unter den bestmöglichen Bedingungen erledigen können. Dafür bereite ich die Dateien zur Übersetzung vor, verfasse möglichst eindeutige und ausführliche Hand-Offs und Anleitungen, versorge die Freelancer*innen mit Referenzmaterialien, stehe ihnen bei Problemen jeglicher Art zur Seite, kümmere mich um inhaltliche Fragen und fungiere auch als kommunikative Brücke zwischen allen Beteiligten.

Und an diesem Punkt meiner Arbeit stelle ich mir oft die Frage, wie meine Arbeit sich auf die Freelancer*innen auswirkt. Vielleicht kann mir Daniel hier weiterhelfen, der den Gegenpart zu diesem Dialog gestaltet hat.

Daniel Landes: Danke für diese Einleitung, Lucas. Ich heiße Daniel, bin derzeit auch als Übersetzungskoordinator tätig und habe davor 2 Jahre lang als Freelancer Videospiele übersetzt.

Als freiberuflicher Übersetzer oder Lektor arbeitet man direkt am Text, macht sich Gedanken darüber, wie man dem ursprünglichen Text in der Zielsprache am besten gerecht wird und versucht mit Fragen an Koordination oder Entwicklerteam Fehlübersetzungen vorzubeugen.

In letzter Zeit wirkt sich vor allem ein Aspekt der Koordination auf meine Arbeit aus: Obwohl die persönliche Beziehung zu Koordinator*innen für mich als Freelancer immer eine wichtige Komponente in der Geschäftsbeziehung war, wechseln einige Kund*innen zunehmend zu automatisierten Lösungen. Das mag aufgrund der steigenden Arbeitsbelastung verständlich sein, allerdings verliert man dabei auch immer mehr das Gefühl, Teil eines Teams zu sein und gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Wie siehst du das von deiner Seite, Lucas?

“Die persönliche Beziehung zu Koordinator*innen war für mich als Freelancer immer eine wichtige Komponente in der Geschäftsbeziehung.”

Daniel Landes

Lucas Plischke: Ich kann diesen Vorbehalt gut nachvollziehen. Der direkte Kontakt bietet mir als Koordinator auch gewisse Vorteile. Wenn ich „meine Pappenheimer“ kenne, dann kann ich ihre Stärken, Schwächen, Erfahrungen sowie ihre Interessen viel besser einschätzen und das spielt bei der Zuweisung zu einem Projekt schon eine wichtige Rolle. Niemand ist in allen Aufgaben gleich gut und daher ist es für die Qualität der Arbeit einfach praktisch, wenn man weiß, welche Freelancer*innen einander gut ergänzen oder an einem bestimmten Thema ihre Freude hätten. Außerdem fördert der persönliche Kontakt auch die Motivation und das Gefühl der Anerkennung. Das ist ein wichtiger Aspekt, der bei der Automatisierung bisher leider zu kurz kommt.

Allerdings ist der Hintergedanke der Automatisierung auch positiv, denn er soll Koordinator*innen und Projektmanager*innen die Arbeit erleichtern und von gewissen Routineprozessen befreien, um Zeit für dringendere Aufgaben zu schaffen. Die Menge an Wörtern, die täglich über den Arbeitsplatz eines PMs oder einer Koordinatorin wandert, ist beträchtlich und mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden. Und genau hier setzt die Automatisierung an. Für einige Projekte hat sich das Vorgehen aus unserer Sicht damit schon bewährt, doch es bleibt abzuwarten, wie es sich entwickelt. Hierfür werden schließlich die Rückmeldungen aus den Reihen der Freelancer*innen eine Rolle spielen. Wichtig scheint mir in jedem Fall, dass die Beziehungen zwischen Freelancer*innen und Koordinator*innen nicht darunter leiden, was mich auch gleich zu der nächsten Frage bringt: Wie können Koordinator*innen Freelancer*innen bei ihrer Arbeit ideal unterstützen?

Daniel Landes: Das ist eine sehr gute Frage, die meiner Meinung nach viel zu wenig gestellt wird. Und es gibt tatsächlich eine Reihe von Aspekten, die mir das Leben deutlich einfacher machen.

Wenn ich z. B. in einem Tool für computergestützte Übersetzung (CAT Tool) arbeite, ist der Bedienungskomfort sehr wichtig. Wurden, speziell bei Videospielen, alle Variablen entsprechend markiert, große Zellen aus Excel in überschaubare Segmente aufgeteilt, eine volle Terminologie-Datenbank mit Erklärungen angehängt und werden die Strings in der richtigen Reihenfolge und im Kontext präsentiert, erleichtert mir das die Arbeit enorm. Die besten Koordinator*innen schaffen es – eventuell mit Hilfe eines Localization Engineers –, aus einer alphabetisch sortierten Exceltabelle Dialoge in der richtigen Reihenfolge zu zaubern, und überzeugen den Endkunden davon, mehr Kontext zur Verfügung zu stellen.

Bei großen Projekten im Team ist ein Gruppenchat mit den Kolleg*innen zudem das A und O. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle Mitglieder am selben Strang ziehen und ein gewisses Maß an Konsistenz gewahrt wird. Wenn der Koordinator das ermöglichen kann, ist er oder sie definitiv ein Superstar. Leider denken Agenturen momentan noch, dass sie die Namen ihrer externen Partner*innen nicht öffentlich preisgeben können, ohne wirtschaftliche Nachteile zu erleiden. Deshalb sind Chats mit allen Übersetzenden eher die Ausnahme als die Norm. Ich hoffe sehr, dass ein Umdenken bei der Namensnennung von externen Partner*innen hier bald Abhilfe schafft.

“Bei großen Projekten im Team ist ein Gruppenchat mit den Kolleg*innen das A und O.”

Daniel Landes

Offen für Feedback zu sein und das Gefühl zu vermitteln, dass man am Wohlbefinden der Freelancer*innen interessiert ist, hilft auch sehr. Wenn mit offenen Karten gespielt und Transparenz großgeschrieben wird, ist das der Zusammenarbeit zuträglich.

Ich weiß es auch sehr zu schätzen, wenn Koordinator*innen meine Arbeitszeit respektieren. Gerade in unserer Branche kommt es oft vor, dass angekündigte Wordcounts nicht pünktlich oder gar nicht kommen und man als Freelancer Einkommensausfälle und damit das Nachsehen hat. Eine transparente Kommunikation und evtl. ein Ersatzangebot können das Risiko für die externen Partner*innen abmildern, den Verlust eingrenzen und einer zukünftigen Zusammenarbeit förderlich sein.

Und wie sieht es umgekehrt aus? Wie können Freelancer*innen dir das Leben erleichtern?

Lucas Plischke: Für mich als Koordinator ist eine transparente Kommunikation ebenfalls das Wichtigste. Freelancer*innen und Koordinator*innen haben letztlich beide ein gemeinsames Ziel und sollten in diesem Rahmen offen und kooperativ miteinander arbeiten. Daher sollten ruhig alle Fragen, Bedingungen und Probleme, die mit einem Auftrag zu tun haben, an mich weitergereicht werden. Wenn du als Freelancer*in beispielsweise mitten im Auftrag merkst, dass du aus irgendeinem Grund die Deadline nicht mehr schaffen wirst, dann ist es am besten, mir das mitzuteilen. Das hat keinerlei Nachteile für dich, im Gegenteil. Menschen können sich verschätzen, Umstände können sich unerwartet ändern, aber solange du mir dies mitteilst, tut das meinem Vertrauen in dich keinen Abbruch. Außerdem können wir dann das Problem noch gemeinsam lösen.

“Wer viel fragt, wer bei der Lieferung einige Anmerkungen macht, hilft mir sehr damit, die Qualität im Auge zu behalten.”

Lucas Plischke, Projektkoordinator

Aber auch inhaltlich hat eine gute Kommunikation ihre Vorteile, denn als Koordinator habe ich oft nicht die Zeit, mir den Text in seiner Gänze anzusehen. Es bleibt in der Regel bei Stichproben. Die Freelancer*innen dagegen kennen die Texte im Detail und können über Fragen und Anmerkungen auf ggf. wichtige Probleme aufmerksam machen, die es mit den Kund*innen zu klären gilt. Wer viel fragt, wer bei der Lieferung einige Anmerkungen macht, hilft mir sehr damit, die Qualität im Auge zu behalten.

Abschließend bleibt noch eine Selbstverständlichkeit, die aber oft übersehen wird, gerade wenn sich eine gewisse Routine eingeschlichen hat: Das genaue Lesen und Befolgen der Anweisungen im Hand-Off sowie die Ausführung der üblichen Qualitäts- und Rechtschreibprüfungen. Damit ist nicht nur mir geholfen, sondern auch dem Lektorat, das den Auftrag gegenliest.

Daniel Landes: Schön zu hören, dass Transparenz auch für dich am wichtigsten ist. Zum Hand-Off würde ich gerne noch anmerken, dass man als Freelancer*in von einem aufgeräumten Hand-Off mit klaren Anweisungen sehr profitiert. Oft bekommt man nämlich dieselbe überfrachtete E-Mail zugeschickt und muss sich die wirklich relevanten Informationen dann mühsam zusammensuchen. Die wichtigsten Elemente – gewichteter/tatsächlicher Wordcount, Abgabefrist, kurzer Style Guide und besondere Anweisungen –   sollten immer auf den ersten Blick zu sehen sein.

Jetzt würde mich noch interessieren, wie du bei der Auswahl der externen Partner*innen vorgehst, wenn du ein neues Projekt koordinierst.

Lucas Plischke: Wenn ich ein neues Projekt zu besetzen habe, dann richte ich mich normalerweise danach, mit wem ich bei ähnlichen Projekten schon gute Erfahrungen gemacht habe. Wer kennt sich mit dem Genre oder Thema aus, oder wer hat mit dem Tool, das verwendet werden soll, schon Erfahrungen etc. Das hängt sehr von den Anforderungen ab, die das Projekt an uns stellt. Manchmal kann auch der Preis eine Rolle spielen. Für mich als Koordinator ist aber, wie gesagt, die Kommunikation und Zuverlässigkeit am wichtigsten. Freelancer*innen, die mich über ihre Arbeit auf dem Laufenden halten, helfen mir damit, Hindernisse rechtzeitig zu erkennen und Probleme aus dem Weg zu räumen. Außerdem ist es auch schön, ein bisschen sozialen Kontakt zu pflegen. Wie ist das aber umgekehrt? Nach welchen Kriterien suchen sich Freelancer*innen ihre Aufträge und besonders ihre Auftraggeber*innen aus?

Daniel Landes: Natürlich muss man erst einmal mehrere Angebote im selbem Zeitraum haben, um sich Auftraggeber*innen aussuchen zu können. Oft gehe ich aber nach der Devise “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst”. Anders kann man in einer Welt der vagen Zusagen leider nicht wirtschaften.

Allerdings spielt auch hier die persönliche Beziehung zu den Koordinator*innen eine Rolle. Wenn man mir entgegenkommt und ich das Gefühl habe, dass auf mein Feedback eingegangen wird, bin ich für individuelle Projekte durchaus bereit, mein Honorar an ein evtl. knapperes Budget anzugleichen. Mein persönlicher Zeitaufwand verringert sich nämlich deutlich, wenn ideale Arbeitsbedingungen geschaffen sind. Sollten Auftraggeber*innen aber von mir erwarten, dass ich mit einem ineffizienten Browser-Tool arbeite, das meine Arbeit eher erschwert als erleichtert, und sich keine Einigung erzielen lässt, kündige ich die Zusammenarbeit auch schon mal auf.

Generell gilt: Persönliche Mails ziehe ich automatisierten Massenmails immer vor und je mehr Infos ich habe und je besser ich die Arbeitsbedingungen einschätzen kann, desto eher stimme ich einer Zusammenarbeit zu.

Es lohnt sich in meinen Augen also durchaus, fünf Minuten mehr in das Ausformulieren einer E-Mail zu stecken und die Automatisierung nur zu verwenden, wenn es organisatorisch gar nicht mehr anders geht.

“Persönliche Mails ziehe ich automatisierten Massenmails immer vor.”

Daniel Landes

Außerdem ist es immer ein Warnsignal für mich, wenn maschinelle Übersetzung willkürlich auf alle Textarten angewendet wird. Wenn mir die Koordinatorin in der Auftragsmail keinen guten Grund dafür liefern kann, warum beim aktuellen Projekt MT zum Einsatz kommt, lehne ich den Auftrag zu 99 % ab.

Eine letzte Frage zum Abschluss: In den Kreisen der Videospielelokalisierung wird die Namensnennung von Freelancer*innen in letzter Zeit immer heißer diskutiert. Wie siehst du das als Koordinator?

Lucas Plischke: Als jemand, der so nah mit den Freelancer*innen zusammenarbeitet, wäre es mir eine Freude, wenn sich die Namensnennung als Standard in der Branche durchsetzen würde. Wer an einem Projekt beteiligt ist und als Teil eines Teams arbeitet, der muss einfach in den Credits erwähnt werden. Erst recht, wenn man so einen wesentlichen Beitrag, wenn nicht sogar den Hauptbeitrag, zu einem Projekt leistet. Dabei geht es nicht nur um Anerkennung, sondern auch darum, dass Freelancer*innen ihre Arbeitserfahrung konkret belegen können. Aber auch wenn ich mich als Koordinator für ein Umdenken einsetzen kann, sind mir die Hände gebunden. Solche Entscheidungen werden viel weiter oben im Management getroffen und dort muss auch eine neue Herangehensweise ausgearbeitet werden. Daher scheint es mir vor allem wichtig, dass die Diskussion öffentlich geführt wird und das Freelancer*innen auch bekannt geben, wenn sie in einem Spiel mit Namen erwähnt werden. Das dient nicht nur ihnen selbst, sondern langfristig auch allen Kolleg*innen, da Firmen, die Freelancer*innen bisher die Namensnennung verweigern, dann umdenken könnten.

Daniel Landes: Danke Lucas für dieses aufschlussreiche Gespräch. Ich hoffe, dass unser Austausch den Leser*innen Einblicke hinter die Kulissen geben konnte und zur besseren Zusammenarbeit beider Berufsgruppen beitragen kann. Bis zum nächsten Mal!

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