Ein Gastbeitrag von Ulla Struck

Das Stichwort Soft Skills findet sich in jedem Text zum Thema Berufseinstieg. Üblicherweise im Abschnitt: „Das Wichtigste ist das, was dir (an der Uni) keiner beigebracht hat.“ Das gilt für die Selbstständigkeit auch und erst recht. Vordergründig ist das eine ziemliche Binsenweisheit, weil es dir weder sagt, was du eigentlich zusätzlich lernen solltest, noch, wie und wo du dieses Wissen erwerben kannst. Die meisten denken vermutlich zuerst an harte Skills wie Buchführung oder Akquise. Mir geht es heute um die weichen Faktoren, mit denen man nicht rechnet. Oder mit denen zumindest ich nicht gerechnet habe. Deshalb hier eine völlig unrepräsentative, anekdotische, persönliche Darstellung der drei Dinge, die ich damals am wenigsten vorhergesehen habe.

Zurückweisung aushalten

Intellektuell habe ich es natürlich gewusst: Nicht alle Angebote werden angenommen. Gerade am Anfang, ohne Portfolio, ohne Empfehlungen, ohne Vorstellung davon, was wirklich gut ankommt. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass die vielen Ablehnungen durchaus etwas mit dir machen. Dabei ist eigentlich klar, dass auch sowas die ganz normale, menschliche Angst vor Zurückweisung triggert. Lass dich davon nicht verunsichern.

In gewisser, recht verquerer Hinsicht ist ein abgelehntes Angebot sogar ein gutes Zeichen: Man sagt, dass nur ein kleiner Teil der eigenen Angebote anstandslos angenommen werden sollte. Dabei geht es zugegebenermaßen um etwas anderes. Diese Regel kommt aus dem Controlling und ist ein Hinweis darauf, dass du deine Preise erhöhen solltest. Nämlich dann, wenn bei dir zu viel angenommen wird, ohne dass du verhandeln musst. Gleichzeitig zeigt dies, dass etablierte Firmen (und erfahrene Kolleg:innen) es als völlig normal empfinden, Aufträge nicht zu bekommen. Also: Nicht verunsichern lassen. Krönchen richten, weitermachen. Das hat nichts mit Dir zu tun, die kennen dich ja nicht. Am Ende mochten sie vielleicht nur das Layout eines anderen Angebotes lieber.

Selbst und ständig entscheiden

Bis zum Beginn der Selbstständigkeit hatte ich immer Leitplanken, und damit eine Richtungsvorgabe. Festgelegt von Eltern, Lehrer:innen, dem Studienverlaufsplan oder Vorgesetzten. Die waren mal enger, mal weiter, mal war man mehr, mal weniger einverstanden. Aber sie waren immer da. Und dann musste ich plötzlich alles selbst entscheiden. Logo blau oder grün? Steuerbüro oder nicht? Welche Spezialisierung? Das entscheidet keiner für dich. Das machst du selbst. Und am Anfang tust du es die Hälfte der Zeit, ohne zu wissen, ob du richtig oder falsch entscheidest. Zumal diese Entscheidungen häufig voneinander abhängen und dadurch noch komplexer werden: Wie eine erfolgreiche Website aussieht und da die Ansprache sein soll, weiß ich erst, wenn ich weiß, wen ich ansprechen will. Dafür wiederum muss ich erst einmal wissen, auf welche Branchen ich mich eigentlich konzentrieren will.

Ein bisschen ist eine Selbstständigkeit wie eine Garderobe: Ab und zu solltest du überprüfen, ob sie dir überhaupt noch passt.

Ulla Struck, Übersetzerin und Dolmetscherin

All diese Überlegungen hatten natürlich andere vorher. Du kannst dich da durchaus einlesen oder beraten lassen. Aber entscheiden musst du selbst. Diese Entscheidungen haben sich für mich lange eher angefühlt wie würfeln als wie wohlüberlegte Beschlüsse. Inzwischen weiß ich allerdings, dass keine Entscheidung für die Ewigkeit getroffen werden muss. Man kann, ja, sollte Entscheidungen gelegentlich überdenken und gegebenenfalls anpassen, so wie man die eigene Website immer wieder ans eigene Portfolio und neue Lesegewohnheiten der Kundschaft oder der Suchmaschinen anpassen muss. Ein bisschen ist eine Selbstständigkeit wie eine Garderobe: Ab und zu solltest du überprüfen, ob sie dir überhaupt noch passt. Und dich gegebenenfalls neu einkleiden.

Balance halten

Das Problem mit der Work-Life-Balance und der Disziplin hing für mich direkt mit dem ständigen Entscheidungsdruck zusammen. Dadurch, dass ich für jede Entscheidung selbst den Rahmen vorgebe, bin ich auch für den Zeitrahmen verantwortlich. Und auch fürs Aufschub gewähren. Häufig sind die Aufschübe durchaus sinnvoll – wenn zum Beispiel eine Eilanfrage reingekommen ist oder sich herausstellt, dass für Erledigung von einer Aufgabe erst eine andere abgearbeitet sein muss. Manchmal scheint auch nur die Sonne, nachdem ich das Wochenende durchgearbeitet habe. Auch das ist okay.

Was nicht okay ist: Darüber aus den Augen zu verlieren, was getan werden muss. Interne Deadlines dürfen nicht einfach auf den Sankt-Nimmerlein-Tag vertagt werden. Droht das, ist schon eher die Frage, ob die betreffende Aufgabe wirklich wichtig ist. Wenn nein: Streichen, weg damit. Wenn ja: Machen. Harte Deadlines setzen. Ich besteche mich da auch schamlos. „Die Konzertkarten kaufst du erst, wenn das hier fertig ist“. (Okay, die letzten Jahre war es eher „das Buch bestellst du erst, wenn …“.)

Auch Soft Skills sind erlernbar

Also alles gar nicht so einfach – und vor allem, sehr, sehr unkonkret. Mit den Soft Skills ist das eben so eine Sache. Für harte Skills wie fehlendes buchhalterisches Wissen findet sich ein Webinar, für Softwarekenntnisse kommt man mit Tutorials weit. Aber Soft Skills? Sind schwer zu fassen, noch schwerer zu benennen und deshalb nur schwerstens gezielt zu erwerben. Dabei sind Kritikfähigkeit, Entschlussfreudigkeit und Kommunikationsverhalten für den beruflichen Erfolg mindestens genauso wichtig. Aber auch hier gibt es Mittel und Wege. Wenn dir ein bestimmtes wiederkehrendes Problem auffällt, lohnt es, kurz drüber nachzudenken. Meistens findet man ganz gut raus, woran es liegt.

Fast noch wichtiger ist aber die Generalempfehlung, nicht alles allein machen zu wollen. Natürlich musst du die Entscheidungen treffen, aber beim Überlegen und Planen kannst du dir helfen lassen. Professionell und privat. Direkt und indirekt. Also vernetze dich. Geh auf Treffen und zu Seminaren, such dir eine Online-Community. Mach Praktika oder Urlaubsvertretungen. Nutze (auch branchenfremde) Mentorenprogramme. Arbeite für Kolleg:innen. Halte Kontakt zu den Leuten aus dem Studium. Hör zu. Beobachte, wie andere Dinge angehen. Such dir raus, was zu dir passt. Und natürlich: frage. Hab keine Angst, als Neuling aufzufallen, wir haben alle mal angefangen. Und wir kochen alle nur mit Wasser. Du schaffst das!

DVÜD-Gastautorin Ulla Struck steht seit 2010 mit den Sprachen Französisch, Englisch und Deutsch als Dolmetscherin und Übersetzerin auf eigenen Füßen. Ihre Hauptthemen sind Landwirtschaft und Nachhaltigkeit in allen ihren Facetten. Von der Agrarökologie bis zur Lebensmittellogistik, von der Forstwirtschaft bis zum ökologischen Bauen.

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