Hallo!

Erlauben Sie mir, mich vorzustellen: Mein Name ist Jonathan Velsch, und ich bin seit etwas mehr als vier Jahren als Übersetzer tätig. Ich bin ausgebildeter Ingenieur und nach wie vor auch als Ingenieur im Energiebereich tätig. Heute werde ich für die Themenwoche Energie & Wirtschaft des DVÜD e.V. über ein Thema schreiben, das uns alle betrifft und das mich besonders interessiert: die Stromerzeugung im Rahmen der Energiewende. Und vor allem, wie dies auf beiden Seiten des Rheins – also in Deutschland und Frankreich – vonstatten geht.

Die Atomfrage

Ich habe fünf Jahre lang in Deutschland gelebt, von 2007 bis 2012. Ich habe dort studiert und dann einige Jahre dort gearbeitet. Während dieser Zeit bemerkte ich einen großen Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich in der Atomfrage. Während damals etwa 80 % des in Frankreich produzierten Stroms aus Kernkraftwerken stammten – was auch heute noch der Fall ist -, wurde in Deutschland im Jahr 2000 ein Konsens über den Ausstieg aus der Kernenergie unterzeichnet. Dieser Atomausstieg in Deutschland wurde 2011 kurz nach Fukushima mit der Abstimmung des Bundestages über den Atomausstieg bestätigt. Unterdessen ist in Frankreich ein neuer Kernreaktor im Bau, und man will die Lebensdauer der bestehenden Kernkraftwerke zu verlängern. Dieser Kontrast zeigt auf den ersten Blick, wie stark die Unterschiede in der Energiepolitik Deutschlands und Frankreichs waren und weiterhin sind. Aber dies ist nur das wegen der Medienaufmerksamkeit bekannteste Beispiel für die Unterschiede zwischen diesen beiden Ländern.

Erneuerbare Energien als Investition

Es gibt noch weitere Unterschiede: Während in Frankreich nur noch vier Kohlekraftwerke verbleiben und diese bis 2022(1) auslaufen werden, gibt es in Deutschland noch rund 130 Kohlekraftwerke(2), und ein neues Kohlekraftwerk wurde dieses Jahr in Betrieb genommen; Deutschland plant, seine Kohlekraftwerke bis 2038 endgültig abzuschalten(3). Mit anderen Worten: Zwischen den beiden Ländern gibt es große Unterschiede in der Art und Weise, wie sie an Kohle als fossilen Brennstoff herangehen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Deutschland seit sehr langer Zeit einen ziemlich hohen Anteil von Kohle in seinem Energiemix hat und dass ein radikaler Wandel für diese Energie nicht einfach und schnell zu erreichen ist.

Auch auf der Seite der erneuerbaren Energien gibt es Unterschiede: Deutschland hat sehr früh begonnen, stark in Wind- und Solarenergie zu investieren, wobei die installierte Windkraftkapazität von 2 850 MW im Jahr 1998 auf 53 304 MW im Jahr 2018(4) und die installierte Photovoltaikkapazität von 114 MW im Jahr 2000 auf 49 016 MW im Jahr 2019 gestiegen ist(5). Frankreich begann später in Windkraft zu investieren, mit einer Kapazität von nur 369 MW im Jahr 2004(6) (im Vergleich zu 16 536 MW in Deutschland in jenem Jahr). Die installierte Windkraftkapazität in Frankreich betrug im Jahr 2019 1 617 MW (6). Was die Photovoltaik betrifft, erreichte die installierte Kapazität in Frankreich Ende März 2020 10 072 MW(7).

Bitte beachten Sie jedoch: Ich habe hier die installierte Kapazität erwähnt. Für einen vollständigeren Vergleich müssten wir die produzierten Energiemengen nach Energieart vergleichen, denn das ist es, was letztlich in der Energiebilanz eines Landes zählt. Meiner Ansicht nach spiegelt jedoch die installierte Kapazität die Energiepolitik eines Landes eher wider als die erzeugte Energie, die wiederum – besonders was die genannten Energiegewinnungsarten betrifft – von externen Faktoren wie dem Klima abhängt.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Deutschland und Frankreich allerdings eines gemeinsam haben: die Wasserkraft. Wasserkraft spielt sowohl in Frankreich als auch in Deutschland seit langem eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung.

Zukunftsmusik

Insgesamt hat sich Deutschland mittelfristig das Ziel gesetzt, bis 2030 65 % seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen(8). Frankreich strebt andererseits an, den Anteil der Kernenergie bis 2035 auf 50 % des französischen Energiemixes zu reduzieren(9). Gleichzeitig will Frankreich bis 2030 40 % seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen(10).

Wie wir sehen können, sind die Ziele der beiden Länder nicht die gleichen und auch die Herangehensweise unterscheidet sich: Während Deutschland hauptsächlich die erneuerbaren Energien hochfahren möchte, plant Frankreich, neben einem mäßigeren Hochfahren der erneuerbaren Energien auch einen bedeutsamen Teil seiner Kernkraft runterzufahren.

Es ist hier auch wichtig, nochmal zu betonen, dass wie oben erwähnt Deutschland ab 2022 Kernenergiefrei sein soll, was die Energieerzeugung angeht.

Ich persönlich bin sehr gespannt, wie die Energiewende in Deutschland verlaufen wird. Da Wind- und Sonnenenergie nicht ständig produziert werden und sie stark von den klimatischen Bedingungen abhängt, finde ich das Ziel von 65 % ehrgeizig und gleichzeitig zukunftsweisend. Wenn Deutschland diese Herausforderung meistert, wird es zeigen, dass ein Energiemix, der größtenteils auf erneuerbare Energien baut, in Europa möglich ist, und andere Länder werden sicher diesem Beispiel folgen.

Und was denken Sie?

Quellen:

(1) https://www.ecologie.gouv.fr/fermeture-des-centrales-charbon-aura-lieu-dici-2022

(2) https://www.bussgeldkatalog.org/strom-energie/kohle/#:~:text=Derzeit%20gibt%20es%20etwa%20130,Braunkohlekraftwerk%20ist%20nicht%20effizient%20genug.

(3) https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/kohleausstieg-und-strukturwandel.html

(4) http://windmonitor.iee.fraunhofer.de/windmonitor_de/3_Onshore/1_zubau/2_Entwicklung_der_Windenergie/

(5) https://www.solarwatt.de/photovoltaikanlage/photovoltaik-know-how/solarenergie

(6) http://www.journal-eolien.org/tout-sur-l-eolien/la-puissance-eolienne-en-france/

(7) https://www.les-energies-renouvelables.eu/conseils/photovoltaique/les-chiffres-essentiels-du-photovoltaique-au-30-juin-2018/

(8) https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/erneuerbare-energien.html

(9) https://www.actu-environnement.com/ae/news/nucleaire-reduction-2035-mix-electrique-report-loi-transition-energetique-31947.php4

(10) https://www.ecologie.gouv.fr/dispositifs-soutien-aux-energies-renouvelables

Autor: Jonathan Velsch ist Ingenieur und übersetzt in den Bereichen Industrie/Technik, Wirtschaft, Ingenieurwissenschaften und Informatik.

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