von Evangelos Doumanidis

Seit dem 01.01.2018 können Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen (müssen aber nicht) am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen. Das geht so:

1. Die elektronische Übermittlung von Dokumenten

  • Sie besorgen sich eine Signaturkarte mit Signaturkartenlesegerät und Signatursoftware oder Sie richten sich De-Mail ein.
  • Sie fragen (noch bis zum 31.12.2021) bei der betreffenden Behörde nach, ob sie bereit ist, Ihre Dokumente in elektronischer Form anzunehmen. Nicht alle Behörden sind dazu bereits in der Lage.
  • Sie wandeln Ihre Übersetzung, Ihr Begleitschreiben und Ihre Rechnung in ein geeignetes elektronisches Dokument um. Eine Unterschrift und ein Stempel sind unnötig.
  • Sie signieren Ihre Dokumente qualifiziert elektronisch mit Ihrer Signaturkarte (außer Sie nutzen De-Mail).

Sie versenden Ihre Dokumente per sicherem Übermittlungsweg, d.h. per elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) oder per De-Mail.

Etwas ausführlicher bedeutet das Folgendes:

1.1 Das elektronische Dokument:

Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Das heißt derzeit:

  • Reichen Sie die Übersetzung im PDF-Format (möglichst PDF/A) ein. Das PDF darf nicht schreib-, kopier- oder druckgeschützt sein.
  • Ist die bildliche Darstellung in PDF nicht verlustfrei möglich, kann zusätzlich im Dateiformat TIFF eingereicht werden.
  • Eine Unterschrift und ein Stempel sind unnötig, weil sie durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Es genügt die allgemeine Bescheinigungsformel nach § 143 Absatz 3 ZPO.
  • Reichen Sie ein begleitendes Anschreiben und Ihre Rechnung als jeweils separate PDF-Dokumente ein.
  • Der Dateiname soll den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung enthalten.

Weitere Einzelheiten finden Sie in der aktuellen Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung, und hier: https://justiz.de/laender-bund-europa/elektronische_kommunikation/index.php

Ergänzend gelten betreffend mancher Rechtszweige Bekanntmachungen der Länder. Die Bekanntmachung des Justizministeriums zum elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg finden Sie hier:

https://justizportal.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Service/Elektronischer+Rechtsverkehr+_+Elektronisches+Handelsregister+_+Elektronisches+Grundbuch

1.2 Die qualifizierte elektronische Signatur

Das elektronische Dokument muss grundsätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person versehen sein. Die qeS ersetzt in der elektronischen Welt Ihre persönliche Unterschrift. Sie bietet Gewähr dafür, dass die Erklärung tatsächlich von Ihnen stammt und macht die Urheberschaft einer Erklärung durch die Justiz überprüfbar.

Hierzu benötigen Sie drei Dinge:

  • Die Signaturkarte ist üblicherweise eine Kunststoffkarte im Scheckkarten-Format mit eingebettetem Microchip. Signaturkarten, die für die qeS nutzbar sind, erhalten Sie bei den sogenannten Zertifizierungsdiensteanbietern (ZDA).
  • Das Signaturkartenlesegerät sollte über eine eigene Tastatur sowie ein Display verfügen. Es wird regelmäßig in Kombination mit den Signaturkarten von den ZDA angeboten.
  • Auch die Signatursoftware, mit der Sie signieren können, wird regelmäßig in Kombination mit den Signaturkarten von den ZDA angeboten.

Eine Übersicht über die aktuell tätigen ZDA finden Sie hier:

https://www.bundesnetzagentur.de/EVD/DE/Verbraucher/Anbieterliste/Anbieterliste-start.html

Die qeS entfällt nur, wenn Sie De-Mail als sicheren Übermittlungsweg nutzen.

1.3 Der sichere Übermittlungsweg

Das elektronische Dokument muss auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Hierzu nutzen Sie EGVP oder De-Mail. Die Einreichung per gewöhnlicher E-Mail ist unzulässig.

  • Die absenderbestätigte De-Mail ist als sicherer Übermittlungsweg gesetzlich anerkannt. Sie benötigen dafür ein De-Mail-Postfach bei einem akkreditierten De-Mail-Diensteanbieter. Sie finden sie hier:

http://www.ejustice-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Buerger/De-Mail

  • EGVP ist der Weg, den auch Behörden und Anwälte zur Kommunikation im gerichtlichen Verfahren nutzen. Wenn Sie Ihre Übersetzung über EGVP übermitteln möchten, benötigen Sie eine sogenannte Sende- und Empfangskomponente. Die kostenpflichtigen Anbieter dafür finden Sie hier: http://www.ejustice-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Buerger/EGVP

Für regelmäßigen Kontakt mit der Justiz empfiehlt das baden-württembergische Landesjustizministerium, EGVP zu verwenden, weil die qeS europaweit anerkannt wird (die De-Mail dagegen nicht; interessant kann dies bei grenzüberschreitenden Aufträgen und Sachverhalten sein, insbesondere bei EU-Vollstreckungstiteln und EU-Mahnverfahren).

Das Land Baden-Württemberg hat mit der Firma Governikus GmbH & Co. KG am 05.07.2015 einen Rahmenvertrag abgeschlossen. Danach kann jeder, der mit Behörden oder Gerichten des Landes elektronisch kommuniziert, kostenlos den „Governikus Communicator Justiz Edition“ nutzen. Sie können ihn hier herunterladen: https://www.governikus.de/governikus-communicator-justiz-edition/

2. Elektronische Akteneinsicht

Seit dem 22.07.2019 kann, statt die Gerichtsakte oder Teile davon wie bisher per Post zu versenden, Akteneinsicht über das Internet gewährt werden. Das geht so:

  • Sie stellen einen Antrag auf (teilweise) Akteneinsicht. Dieser geht dem Gericht entweder per Post oder auf elektronischem Wege zu.
  • Das Gericht prüft den Antrag unverändert nach allgemeinen prozessrechtlichen Regelungen.
  • Im Falle der Bewilligung legt das Gericht die elektronische Akte unter einer bestimmten ID auf einem Server des Gerichts oder des Landes ab und übermittelt Ihnen dann, sofern Sie nicht bereits über eine eigene SAFE-ID verfügen, eine eigens für diese Akteneinsicht angelegte SAFE-ID, sowie Ihren Benutzernamen nebst Passwort für die Anmeldung am Portal.
  • Nach Anmeldung können Sie die eAKte aufrufen und ganz oder teilweise herunterladen.

Das Akteneinsichtsportal finden Sie hier: https://www.akteneinsichtsportal.de/

Vergessen Sie nicht: Wenn Sie das Gericht zur Vorbereitung eines Dolmetschtermins nicht um Einsicht in die Anklageschrift oder Sachverständigengutachten bitten, kann sie Ihnen auch nicht gewährt werden.

3. Kritik und etwas Zukunftsmusik: Das eBO

Trotz offensichtlicher Vorteile (höhere Kommunikationsgeschwindigkeit und kosten- und umweltschonende Vermeidung von Papier, Druckertoner und Briefmarken) ist sowohl die Nutzung qualifizierter elektronischer Signaturen als auch die Nutzung des De-Mail-Systems in der Praxis kaum verbreitet.

Denn, wie die Bundesregierung ganz richtig erkannt hat: „Sie weisen zudem strukturelle Nachteile auf und sind für eine zukunftsweisende, umfassende elektronische Kommunikation nicht geeignet. Die Übersendung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments etwa eröffnet zwar den Kommunikationskanal in Richtung der Gerichte, die Rückadressierung durch das Gericht ist jedoch nicht möglich. Bei der De-Mail als sicherem Übermittlungsweg bereitet insbesondere die Verwendung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses in strukturierter maschinenlesbarer Form Schwierigkeiten. Die Nutzer von De-Mail-Postfächern können dies derzeit nur mit einem sehr hohen praktischen und technischen Aufwand umsetzen.“

Die Bundesregierung hat deswegen zur Schaffung zusätzlicher elektronischer Kommunikationswege, um zur Einbindung weiterer Personengruppen, Unternehmen, Organisationen und Verbände in die sichere elektronische Kommunikation mit den Gerichten am 10.02.2021 den Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vorgelegt.

Damit sollen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Organisationen und Verbände sowie andere professionelle Verfahrensbeteiligte, z.B. Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen, zukünftig die Möglichkeit erhalten, möglichst kostenneutral über ein neues besonderes elektronisches Postfach mit den Gerichten auf sicherem Wege zu kommunizieren. Dafür soll ein sogenanntes besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (kurz: eBO) geschaffen werden, das sowohl den schriftformersetzenden Versand elektronischer Dokumente an die Gerichte, als auch die Zusendung elektronischer Dokumente durch die Gerichte an die Postfachinhaber ermöglichen soll.

Den Gesetzesentwurf finden Sie hier: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Ausbau-ERVV.html

Ob, wann und in welcher Form er beschlossen werden wird, ist derzeit offen. Ihre Berufsverbände werden Sie auf dem Laufenden halten.

Der vorliegende Text ist eine gekürzte und aktualisierte Fassung von „Die Justiz wird digital – für alle? Der elektronische Rechtsverkehr für Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen“, veröffentlicht in Baur/Mayer, „Übersetzen und Dolmetschen 4.0: Neue Wege im Digitalen Zeitalter“, Berlin 2019, S. 131 ff. Dort finden Sie weitere Details.

Unser Gastautor Evangelos Doumanidis hat Jura in Tübingen und Brüssel studiert und arbeitet seit 1996 als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei. Zweisprachig aufgewachsen hat er, inspiriert von einem langjährig erfahrenen Kollegen, die Qualifikation als Dolmetscher und Übersetzer mit staatlicher Prüfung erworben und ist seit 2007 in Baden-Württemberg allgemein beeidigter Verhandlungsdolmetscher und öffentlich bestellter und beeidigter Urkundenübersetzer für Griechisch. Seit 2012 ist er Vorsitzender des VVU e.V., den er im BFJ, bei EULITA und in der Bremer Runde vertritt. Er bietet Fortbildungen für Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen in juristischen Themenbereichen an.

Er ist verheiratet und Vater von drei Söhnen.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen