Für viele Gerichtsdolmetscher:innen ist es längst kein Geheimnis mehr: am 01.01.2023 tritt das Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) in Kraft. Darüber informierten wir in unserem Blogbeitrag im Juni 2021. Außerdem fand Ende September 2022 ein Online-Infoabend zu diesem Thema statt. Was bei dem Infoabend besprochen wurde, könnt ihr gern in unserer 3. Podcastfolge auf Spotify oder Soundcloud hören. Den Gesetzestext kann man hier nachlesen.
Was bedeutet das für mich als Gerichtsdolmetscher:in?
Bedeutet das für dich als Gerichtsdolmetscher:in, dass du ab dem 1.1.2023 deine Beeidigung verlierst („es besteht kein Bestandschutz“)? Hierzu schrieb Evangelos Doumanidis in seiner Kurzdarstellung “Die Änderung des Gerichtsdolmetschergesetzes” in den VVU-Mitteilungen 122, im Juli 2021: “Alle derzeit und noch bis zum 31.12.2022 allgemein beeidigten Dolmetscher*innen werden sich (…) noch einmal und zwar nach den neuen Voraussetzungen allgemein beeidigen lassen müssen, wenn sie sich auf einen allgemein geleisteten Eid berufen und im entsprechenden Verzeichnis geführt werden wollen. Wer nicht über die neuen Voraussetzungen verfügt, wird diese nachholen oder sich darauf verlassen müssen, dass er/sie weiterhin geladen und dann ad hoc beeidigt werden wird.“
Um einen sanften Übergang sicherzustellen und Prozesse nicht partout lahmzulegen, hat der Deutsche Bundestag den Ländern eine Frist für eine Übergangsregelung eingeräumt.
Auf dieser Basis haben die Justizministerien der Länder eigene Gesetze mit Übergangsfristen vorbereitet bzw. erlassen. Um an diese zu gelangen, musst du aktiv das Landgericht oder Oberlandgericht, bei dem du beeidigt wurdest, kontaktieren. Leider gibt es bis jetzt keine Informationen zu dem Thema auf den Websites der Land- und Oberlandesgerichte, die betroffene Dolmetscher:innen ins Kenntnis setzen.
Wenn du nach der Übergangsfrist weiterhin als Gerichtsdolmetscher:in arbeiten möchtest, musst du eine Prüfung ablegen. Zur Art der Prüfung und Sprachen, die angeboten werden, musst du ebenso dein Gericht oder das Justizministerium deines Bundeslandes befragen. Zu eventuell möglichen Gleichwertigkeitsnachweisen gibt es bisher keine Informationen; sie scheinen nicht vorgesehen zu sein. Leider sind viele Institutionen bisher organisatorisch noch nicht soweit, und es liegen keine genauen Informationen darüber vor. Über teilweise verlängerte Übergangsfristen informierte der VVU erneut im Oktober 2022.
Was bedeutet das für mich als Urkundenübersetzer:in?
Nicht nur als Gerichtsdolmetscher:in, sondern auch als Urkundenübersetzer:in kannst du ab dem 1.1.2023 theoretisch deine Beeidigung verlieren. Manche Bundesländer wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, in denen die Vorgaben für Gerichtsdolmetschen und Urkundenübersetzen in einem gemeinsamen Gesetz geregelt sind, haben sich entschlossen, hier identisch zu verfahren, obwohl das Bundesgesetz dies nicht fordert. Ähnlich ist es in Baden-Württemberg, wo das entsprechende Gesetz im November 2022 verabschiedet wurde (Drucksache 17/3514, Seite 2 und 3). Ebenso wie für Gerichtsdolmetscher:innen gilt dann für dich: Prüfung gemäß den neuen Vorgaben ablegen. Du solltest also selbstständig dein (O)LG oder das Justizministerium deines Bundeslandes kontaktieren, um dich nach Übergangsfristen zu erkundigen, denn sie sind für jedes Bundesland unterschiedlich.
Jedoch ist die Situation für dich als Übersetzerin kritischer als für Gerichtsdolmetscher:innen. Während die Gerichtsdolmetscher vor Beginn des Prozesses ad hoc beeidigt werden können, ist diese Möglichkeit für beeidigte Übersetzer:innen ausgeschlossen. Natürlich wirft das eine Menge berechtigter Fragen auf. Darf ich ab dem 1.1.2023 weiter beglaubigte Übersetzungen fertigen? Gibt es für uns Übergangsfristen? Wie lange gehen die Übergangsfristen in meinem Bundesland? Wo lege ich die Prüfung ab? Hier gilt es wieder: proaktiv werden, Behörden selbst anrufen und anschreiben!
Gibt es sonst wichtige Änderungen, die ich beachten muss?
Laut §7 GDolmG gibt es bald keine unbefristete Beeidigung mehr: „Die allgemeine Beeidigung endet nach fünf Jahren. Sie wird auf Antrag des Dolmetschers jeweils um weitere fünf Jahre verlängert…“ Früher galt diese Art der befristeten allgemeinen Beeidigung nur in Nordrhein-Westfalen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch §11 (1) und (2): „1) Ordnungswidrig handelt, wer sich unbefugt als „allgemein beeidigter Gerichtsdolmetscher” oder „allgemein beeidigte Gerichtsdolmetscherin” nach § 6 bezeichnet oder eine Bezeichnung führt, die damit verwechselt werden kann. 2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.“
An wen kann ich mich wenden, um mehr Informationen zu bekommen?
Du kannst dich an das Justizministerium deines Bundeslandes bzw. an das Oberlandesgericht oder Landgericht wenden, bei dem du beeidigt wurdest.
Was kostet mich das?
Auch dieser Punkt ist bisher unklar. Du solltest dich auf Gebühren einstellen für:
- den Neueintrag
- alle fünf Jahre für die Verlängerung
- Kosten für Prüfungen
- eventuelle Vorbereitungskurse.
Ob bisher als gleichwertig (oder auch höherwertig) anerkannte Abschlüsse gültig bleiben, ist noch nicht geregelt.
Was tun die Verbände für die Gerichtsdolmetscher:innen?
ADÜ-Nord startete im Herbst die Aktion #GDolmG stoppen und sammelt Geld für eine Verfassungsbeschwerde. Darüber kannst du dich auf der Website des ADÜ-Nord informieren. Außerdem organisiert der ADÜ-Nord in regelmäßigen Abständen Zoom-Treffen, bei denen er Kolleg:innen über die Fortschritte der Aktion informiert.
Andere Verbände versuchen, die Politik über Hintergrundgespräche aufzuklären und auf eine zufriedenstellende Lösung hinzuwirken.
Fazit
Das GDolmG sorgt für große Unsicherheit unter den beeidigten Dolmetscher:innen und vor allem bei ermächtigten/beeidigten Übersetzer:innen. Wir erhalten nur auf Nachfrage ausreichende Informationen seitens der Gerichte und Justizministerien, und die veralteten Informationen auf deren Websites helfen uns nicht weiter.
Werde aktiv und kontaktiere schnellstmöglich dein Oberlandesgericht bzw. Landgericht bezüglich deiner Beeidigung oder Ermächtigung und der Übergangsfristen in deinem Bundesland!
Bonus
Vom OLG Koblenz hat der DVÜD bereits ein offizielles Schreiben bekommen, in dem die neuen Regelungen und Forderungen aufgeführt sind. Das Schreiben ist für Gerichtsdolmetscher:innen und Urkundenübersetzer:innen, die in Rheinland-Pfalz beeidigt oder ermächtigt wurden, relevant.
Wenn du dein (O)LG angeschrieben und nähere Informationen für dein Bundesland bekommen hast, leite bitte diese Informationen an Olga Kuzminykh (olga@dvud.de) weiter! Wir sammeln die Antworten aller Bundesländer in einem Leitfaden für unsere Mitglieder.
Nach telefonischer Rücksprache (der Brief vom Gericht war nicht zu verstehen) steht nun für mich fest: ich soll (zB hier https://lehrkraefteakademie.hessen.de/besondere-staatliche-pruefungen/pruefungsangebot) die beiden oberen Prüfungen machen. Nach Anmeldung soll ich dies dem Gericht (Köln) mitteilen – dann bin ich vorrübergehend noch “dabei”. Kosten insgesamt über 700€ und seeehr viel Zeit.
Guten Morgen,
ich bin vom OLG Hamm allgemein beedigt für drei europäische Sprachen, die man auch in meinem Heimatland nur auf Lehramt studieren konnte. In Deutschland habe ich auch ein Germanistikstuium abgeschlossen. Ich habe vor 2 Tagen die Nachricht vom OLG Hamm bekommen, dass meine Beeidigung im Juli 2023 ausläuft und nicht mehr verlängert wird. Somit werde ich auch aus der Liste gelöscht. Die Übergangszeit von 3 Jahren gelten für mich somit nicht. Ich werde in 1,5 Monaten arbeitlos.
Das macht einen einfach nur sprachlos…
MfG
Hallo Kollegin,
danke für die Information. Das klingt bitter. Hat das OLG Hamm konkret begründet, was an Ihrer Qualifikation nicht stimmt? Oder Ihnen mitgeteilt, welche Kenntnisse Sie zusätzlich nachweisen müssen?
Individuelle Rechtsberatung kann Ihnen nur ein Anwalt/eine Anwältin geben. Der ADÜ Nord plant eine Verfassungsklage gegen das Gesetz, mehr dazu hier: https://adue-nord.de/gdolmgstoppen/ Aber das wird natürlich noch dauern.
Alles Gute
Imke aus der Blogredaktion
Vielen Dank, Natascha, für den hilfreichen Kommentar!
Die meisten Bundesländer (für ca. 13 haben wir ATICOM und VVDÜ Stellungnahmen geschrieben), haben das GDolmG einfach analog auf die Übersetzer:innen angewandt. Diese Auslegungen des GDolmG zeigen, dass es viele Interpretationsmöglichkeiten gibt. So haben einige Länder in die Ländergesetze Gebärdensprachendolmetscher:innen mit aufgenommen, andere nicht. Einige haben Behördendolmetscher:innen und Behördenübersetzer:innen, sowie Notardolmetscher:innen und Notarübersetzer:innen hineingeschrieben, andere nicht. Die Abwesenheit von Ausbildungsstätten, auch für europäische Sprachen zeigt, dass es Spielraum geben muss bei der Anerkennung der Abschlüsse, Nachweise und Diplome der Kolleg:innen. Insofern ist es richtig im eigenen Bundesland die Verlängerung der Vereidigung (Beeidigung, Ermächtigung), bzw. je nach Ländergesetz neu zu beantragen.
Natascha Dalügge-Momme
Vorstandsvorsitzende VVDÜ
Mitglied des Vorstands ATICOM
Danke, Evangelos, für die Präzisierung!
Kleiner Hinweis: Es stimmt nicht, „dass du ab dem 1.1.2023 deine Beeidigung verlierst“. Ab dem 1.1.2023 ändern sich nur die Beeidigungsvoraussetzungen für neue Beeidigungen.
Die bis dahin erfolgte allgemeine Länderbeeidigung endet viele Jahre später – und auch nur in manchen Bundesländern, in Baden-Württemberg z.B. überhaupt nicht.
Bis zum 31.12.2026 können sich Dolmetscher*innen vor Gericht auf den allgemein geleisteten Eid nach den bisherigen Vorschriften oder den neuen nach dem GDolmG berufen. Danach ist die Berufung auf den allgemein geleisteten Eid nur noch dann möglich, wenn er nach dem GDolmG erfolgt ist – egal, ob die Länderbeeidigung geendet hat oder nicht.
Für Übersetzer:innen gelten komplexere Regeln, weil sie je nach Bundesland verschieden sind.
Evangelos Doumanidis
Vorsitzender des VVU