In der Gaming-Branche entstehen selbstverständlich Urheberrechte – für die Produktionsfirmen, die Grafiker:innen, die Texter:innen gilt das Recht auf Namensnennung. Aber auch für diejenigen, die im Bereich Gaming übersetzen? Der DVÜD hat nachgefragt bei Daniel Landes, der sich nach mehreren Jahren in Festanstellung inzwischen als freiberuflicher Gaming-Übersetzer etabliert hat. Das Gespräch führte Imke Brodersen im Rahmen unserer Themenwoche.

Bitte stell dich kurz vor – wie bist du zum Gaming-Übersetzen gekommen, und was übersetzt du am liebsten?

Schon während meines Studiums habe ich erste Erfahrungen mit literarischen Übersetzungen gesammelt. Blut geleckt habe ich dann während einer Tätigkeit als Tester für linguistische Qualitätssicherung in Barcelona. Dabei kam ich mit den Übersetzern und Übersetzerinnen in Kontakt, lernte die Tools und Arbeitsweisen kennen und merkte, dass ich für diesen Job eine echte Leidenschaft habe. 2015 bis 2018 habe ich dann in Dublin bei einer Lokalisierungsfirma gearbeitet, die auf Videospiele spezialisiert ist, und war am Ende als deutscher Editor verantwortlich für das Universum eines bekannten MOBA-Spiels (Multiplayer Online Battle Arena). Seit meiner Rückkehr nach Deutschland arbeite ich freiberuflich. Ich übersetze die ganze Palette, Skripte, Tutorials, Voice over, auch lippensynchrone Dialoge. Manchmal habe ich es sogar mit Kurzgeschichten, Comics und kürzeren Romanen zu tun, welche die fantastischen Welten der Videospiel-Franchises weiter ausbauen. Das Einzige, was ich nicht mache, sind Games im Bereich Sport.

Wie viele Übersetzer:innen arbeiten normalerweise an einer Spieleübersetzung, und wer entscheidet über die Endfassung? Im Verlag stimmen Übersetzende, Redaktion und Lektorat sich eng ab, damit am Ende alles stimmt – wie ist das im Gaming?

Kleinere Projekte (bis zu 15 000 Wörter) mache ich oft allein. Da sitze ich ungefähr eine Woche dran. Mir ist es natürlich am liebsten, alles selbst zu machen und damit optimale Konsistenz herzustellen. Ein Lektor segnet das im Anschluss meistens ab. „Große“ Spiele umfassen locker mal 100 000 Wörter. Da ist es für den zeitlichen Horizont meist sinnvoll, wenn mehrere Übersetzende zusammenarbeiten, und ein Lektor sorgt dafür, dass alles ein rundes Gesamtbild ergibt. Da man oft ohne Kontext arbeitet und sogar Dialoge nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge übersetzt werden, spielt die linguistische Qualitätssicherung auch eine wichtige Rolle beim Endergebnis. Erst die Tester sehen die implementierte Übersetzung im Kontext und können eventuelle Missverständnisse oder Platzprobleme beheben. Parallel zu den abgeschlossenen Einzelprojekten arbeite ich auch an einem Dauerprojekt mit, für das es regelmäßig Änderungen und Ergänzungen gibt.

Übersetzt du ausschließlich Gaming oder noch andere Themen? Reichen die Projekte, um dich voll auszulasten?

Ich übersetze ausschließlich Gaming, und, ja, ich bin in der Regel gut ausgelastet.

Ich selbst war gelegentlich an der Übersetzung von Handbüchern und Dialogen für verschiedene Spiele beteiligt. Beim gedruckten Handbuch wurden Spieleübersetzer dann namentlich genannt. Wie ist das bei den Games selbst?

Gedruckte Handbücher sind ein Relikt aus Vor-Online-Zeiten. Heute gibt es das nicht mehr. Spiele gelten offiziell als Programme. Insofern werden wir Übersetzer nur selten erwähnt  – ich zum Beispiel bisher nur drei Mal, obwohl ich in meiner freiberuflichen Zeit an ungefähr 20 Gaming-Übersetzungen beteiligt war. Wenn überhaupt, dann wird oft die Lokalisierungsagentur genannt. Die Agenturen gehen davon aus, dass aufgrund der üblichen Geheimhaltungsvereinbarungen eine Namensnennung nicht erforderlich ist.

Aber ist Spieleübersetzen denn nicht kreativ? Ich meine, wenn die Dialoge unterirdisch wären, würde die deutsche Fassung doch floppen – einige Gamer würden sagen, „dann spiele ich eben das Original, auch wenn ich nicht alles verstehe“, viele andere würden komplett verzichten. Wie ist das denn mit den Textern oder den Grafikern?

Die Mitarbeiter des Entwicklerstudios, Publishers und der Dienstleister im grafischen Bereich werden in der Regel namentlich genannt. Allerdings dient das auch dem Druck auf Mitwirkende: Wenn jemand zwischendurch aus einem Projekt aussteigen will, heißt es dann auch schon mal: „Dann wird dein Name am Ende aber nicht mit aufgeführt.“ Der kreative Beitrag der (freiberuflichen) Übersetzer wird eher ausgeblendet, auch wenn in Bezug auf die Namensnennung im Sinne der Urheberschaft bei anderen Beteiligten inzwischen mehr Sensibilität besteht. Ich halte das Übersetzen im Gaming für eine sehr kreative Tätigkeit, und die Künstlersozialkasse (KSK) ist auch dieser Meinung und hat mich als Mitglied aufgenommen.

Das kommt mir bekannt vor. Bei Tonträgern, Filmmusik, Konzerten, in Kaufhäusern oder in Gaststätten sorgt die GEMA dafür, dass die eigentlichen kreativen Urheber:innen, die für Texten, Komposition, Einspielen, Gesang usw. zuständig sind, nicht leer ausgehen. Bei Büchern und eBooks ist in Deutschland die VG Wort zuständig, die an die Autor:innen und die Übersetzer:rinnen ausschüttet. Auch viele Verlage zahlen Erfolgsbeteiligungen. Gibt es so etwas auch für das Gaming?

Nein, eine Gesellschaft, die in der Gaming-Branche für eine Beteiligung der freiberuflichen Kreativen sorgt, existiert bisher meines Wissens nicht. Ich habe auch nicht davon gehört, dass es irgendwo Bestrebungen zu einer Gründung gäbe.

Vielen Dank, Daniel, für das interessante Gespräch!

Daniel Landes, lächelnder Mann mit schwarzer Mütze und Bart

Daniel Landes (LinkedIn) hat einen B. A. in Anglistik und Skandinavistik von der LMU München und ist Mitglied im VdÜ. Nach einer Tätigkeit als Lokalisierungstester in Barcelona arbeitete er drei Jahre festangestellt bei einer Lokalisierungsfirma für Videospiele in Dublin, wo er am Ende deutscher Editor für ein bekanntes MOBA-Spiel war. Seit 2018 lebt er wieder in Deutschland und übersetzt freiberuflich in Vollzeit Videospiele, hauptsächlich für Übersetzungsagenturen.

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