Autorin: Ilse Arnauld des Lions

Wir, die wir zwischen den Kulturen vermitteln, sind meiner Meinung nach nicht nur in einer besonderen Lage, um die Welt zu retten, sondern auch moralisch dazu verpflichtet. Natürlich können wir es nicht allein, aber wir können unseren Beitrag dazu leisten.

Wir haben das Glück, in mindestens zwei Sprachen und Kulturen zuhause zu sein. Und wir nutzen es: Wir lesen, wir reisen, wir informieren und unterhalten uns in diesen Kulturbereichen, springen zwischen ihnen hin und her, manchmal ohne es zu merken, und sind am Besten platziert, wenn es darum geht, die Vielfalt von Mentalitäten und Habitus nicht nur zu erkennen, sondern auch zu erleben und spüren. Auch in uns selbst.

Ständig am Ball in mindestens zwei Kulturen

In einer Zeit, in der Bedrohungen global sind, werden solche Menschen, die Grenzen überschritten haben und selbst vermitteln können, dringend gebraucht. Durch unseren Beruf haben wir noch dazu Zugang zu vielen Informationen. Ich spreche hier natürlich nicht von denen, die für uns tabu sind, da sie der professionellen Geheimhaltungspflicht unterlegen. Nein, ich spreche hier von unseren unzähligen Recherchen und Vertiefungen auf den Gebieten, auf denen wir arbeiten.

Wir sind nicht nur Vermittler, wir sind meist mit Spezialgebieten vertraut, die unseren Leidenschaften entsprechen. Und zumindest die meisten von uns sind extrem sorgfältig, recherchieren bis ins Detail, informieren sich und bleiben am Ball mit Abonnements von Fachliteratur, regelmäßigen Informationen usw. Wir lernen dabei ständig dazu über die Art und Weise, wie unsere verschiedenen Länder an ein Thema herangehen.

Lösungsansätze in Frankreich und Deutschland

So kommt es z. B., dass ich als Übersetzerin DE-FR im Bereich Umwelttechnik, Natur- und Biowissenschaften, immer wieder zwischen deutschen und französischen Lösungsversuchen „switche“. Das berühmte Organisationstalent der Deutschen, die es innerhalb weniger Jahre schaffen, etappenweise sehr effiziente und klare technische Lösungen für die Abfallwirtschaft zu entwickeln, und sich dann hinter den Kulissen auf Kongressen beklagen, dass sie aufgrund der Effizienz in ihrer Branche bald den Beruf wechseln müssen. Oder die ideologische Herangehensweise der Franzosen, die sich fast größenwahnsinnig das Ziel setzen, bis 2030 – also in nur zehn Jahren – 100%ige Autarkie zu erreichen und von Paris aus die verschiedenen Regionen und DOM-TOM, also französische Gebiete außerhalb des Mutterlandes, immer noch lenken. Ja, sie stellen sogar beachtliche Mittel dafür bereit und von außen sieht es auch sehr vielversprechend für die Zukunft aus. Nur, dass die Bürokratie, um diese Mittel zu erhalten, so kompliziert ist, dass es viele schon von vorneherein gar nicht erst versuchen.

Natürlich interessiere ich mich auch für das, was die Politik tut, und merke, dass beide Länder eine Sache gemeinsam haben: die gesetzlichen Mittel nicht wirklich dem Volk an die Hand zu geben, um diese Ziele zu erreichen. Aber das ist ein Thema für sich. Nicht für hier.

Dann gehe ich fachlich in die Tiefe, und bekomme – nicht selten – auch Hinweise von Kunden, die mir erzählen, was sie bewegt, wo sie eine Zukunft sehen und was dafür nötig wäre. Oder ich folge aufmerksam den Konferenzen verschiedener Spezialisten auf dem Gebiet und stelle fest, dass sie dasselbe erreichen möchten. Und dann merke ich: „Aber das, was nötig ist, das hat bereits die eine oder andere Firma, Spezialisten, im anderen Land! …“ Und gerade hier ist es meine – unsere – Aufgabe, Verbindungen herzustellen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Gerade weil ich mit meinen Mentalitäten und Kenntnissen aus beiden Kulturen, aus beiden Ländern, schneller wahrnehmen kann, wenn sich beide ergänzen und dem Ziel „die Welt zu retten“ gemeinsam näherkommen können.

Ein Beispiel: LiFi

„LiFi“ – diese optische drahtlose Technologie zur Datenübertragung, die schon Ende des 19. Jahrhundert erfunden wurde und seit Anfang des 21. Jahrhunderts wiederentdeckt wird – wird vor allem in Japan, England und in Frankreich weiter erforscht und entwickelt, wobei sich seit 2010 auch das Fraunhofer Institut dafür interessiert.

Diese Technologie erlaubt es, Signale mit Licht zu übertragen. Dafür braucht man LEDs und die Signale werden durch extrem schnelles Ein- und Ausschalten des Lichts entsprechend einem Code gesendet. Diese Technologie bringt zwei sehr großen Vorteile mit sich: Die extreme Geschwindigkeit (ca. 224 Gigabit pro Sekunde) und den extrem niedrigen Energieverbrauch (man nutzt vorhandene Elemente (LEDs), die selbst nur wenig Energie verbrauchen). Die möglichen Anwendungen sind sehr vielfältig und manche Philosophen in Frankreich träumen schon davon, IT-Firmen aus den USA durch ein viel effizienteres europäisches System zu ersetzen, so dass sich Europa von der Bedrohung durch Spionage auf einen Schlag befreit. Manche großen Firmen in Frankreich, wie z. B. EDF, haben schon Versuche auf Städteebene durchgeführt und waren damit sehr erfolgreich.

Mit unseren Kunden reden und nebenbei die Welt retten

Das klingt schön und gut – aber was habe ich damit zu tun? Aus der Sicht derjenigen in Frankreich, die sich damit befassen, steht fest: Diese Technologie wird nur eine Zukunft haben, wenn viele Unternehmen, Regierungen, Forscher usw. sich dafür einsetzen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie die Nachteile von LiFi (z. B. die Nutzung in Gebäuden ungestört durch Mauern) beseitigt werden können. Also sage ich allen meinen Kunden, aber nicht nur ihnen, sondern jedem in meinem Umfeld, in Deutschland, der es hören will: „LiFi“ ist das Zauberwort des Jahrzehnts.

Stellt Euch vor: wir, alle ÜbersetzerInnen, die wir uns mit solchen Themen befassen, fangen europaweit an, von LiFi zu erzählen und bringen unsere Kunden dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Stellt Euch vor, was für eine Synergie da erreicht werden könnte. Stellt Euch vor, wie diese Technologie dann entwickelt wird, wie ganz Europa mit einem einfachen, sehr schnellen und kostengünstigen Internet verbunden wird. Vielleicht wird dann in einigen Jahrzehnten in den Schulbüchern über die Geschichte Europas ein Kapitel geben: „Als die ÜbersetzerInnen Europas den Kontinent retteten“… OK. Ich träume. Aber meinen Beitrag möchte ich dazu leisten. Und ich appelliere an Euch alle: macht mit!

Klimawandel versus Kollapsologie

Es gibt viele weitere Themen, in die wir uns einbringen können, die wir mittragen können. Frankreich und Deutschland sprechen völlig unterschiedlich über den Klimawandel und das Sterben in der Natur. In Frankreich ist das Thema sehr stark in der Presse, Literatur, im Kino, in der Kultur und in vielen öffentlichen Diskussionen präsent. Auch weil sich dort die Kollapsologie stark entwickelt hat: Diese neue Wissenschaft, die Fachleute aus vielen verschiedenen Bereichen zusammenbringt, die vor dem Hurrikan Katrina in New Orleans für sich allein geforscht haben. Über die Art und Weise, wie ein Kollaps – ein Zusammenbruch – eine Gesellschaft ändert. Es sind Ökologen, Klimatologen, aber auch Psychologen, Soziologen, Philosophen …, die zusammentreffen und sich austauschen. Das Ergebnis ist sehr spannend und viele entwickeln Lösungsansätze, damit jeder und jede von uns sich einbringen kann und den eigenen Beitrag leistet, um der Welt um uns her zu mehr Resilienz zu verhelfen. Auch ich bringe mich ein, weil diese Richtung in Deutschland kaum bekannt ist.

Also, zögert nicht! Wenn wir es nicht machen, wer dann?

DVÜD-Gastautorin Ilse Arnauld des Lions hat sich mit ihrem Unternehmen GeoPolyGlob auf die Übertragung wissenschaftlicher und umwelttechnischer Texte ins Französische spezialisiert und sieht ihre Aufgabe in hohem Maße als Vermittlerin zwischen den Kulturen.

Foto: Ivana Koubek

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