Terminologie für alle Fachübersetzer

Als Fachübersetzer kennt man das Problem: Man nimmt einen spannenden Auftrag an, das Thema ist sehr spezifisch – aber leider sendet der Auftraggeber kein spezifisches Vokabular mit, sei es, weil firmenintern noch keines existiert, sei es, um dem Übersetzer Freiheiten zu lassen, oder sei es einfach aus Nachlässigkeit. In jedem Fall wird das Fachwörterbuch zu einem noch besseren Freund. Aber auch dort ist nicht alles abgedeckt, dazu ist es mühsam – kurzum, man wünscht sich eine Terminologiedatenbank. Diesem Wunsch ist die EU mit ihren Vorgängerorganisationen nachgekommen und bietet kostenlos die Nutzung der IATE an.

Was ist die IATE?

Die IATE (Interactive Terminology for Europe) ist die Datenbanksammlung der Europäischen Union und ihrer Vorgängerorganisationen. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in die 70er-Jahre, als die ersten Abteilungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begannen, erste Datenbanken anzulegen. Im Jahr 1999 beschloss man, diese Terminologie in ein Online-Projekt zu überführen, um die Begrifflichkeiten in der gesamten EU zu vereinheitllichen. Seit 2004 ist das Projekt nun für alle Sprachen der EU (einschließlich Latein – der Vatikan ist schließlich auch Mitglied!) in Betrieb, wird als Standardwerk aller Institutionen der EU verwendet und ständig erweitert. Die aktuelle öffentlich zugängliche Version stammt aus dem Jahr 2018, umfasst derzeit mehr als 960.000 Begriffe und kann kostenfrei verwendet werden.

Woher stammen die Einträge?

Der größte Anteil stammt von den Übersetzern und Terminologen der EU. Dort werden die Begriffe aus den EU-Übersetzungen gesammelt, geprüft und veröffentlicht. Ein kleiner Teil stammt auch von außerhalb der Institutionen, diesen tragen externe Unternehmen bei. Allerdings können über das Feedback-Formular auch ganz normale Übersetzer zur IATE beitragen und Begriffe vorschlagen, die in der Folge ebenfalls geprüft werden.

Welche Qualität hat die Terminologie?

Die Betreiber selbst räumen ein, dass die Qualität nicht durchgehend auf höchstem Niveau ist. Allerdings wird die Datenbank nicht nur ständig erweitert, sondern auch kuratiert. Da jedoch die gesamte Terminologie dessen, was heute die EU ist, gesichtet, kuratiert und digitalisiert werden soll, ist die Datenbank auch nach 16 Jahren in Betrieb noch nicht komplett. Hinzu kommt, dass nicht nur die EU selbst, sondern auch jeder Übersetzer Beiträge einreichen kann.

Sorgen bezüglich unzuverlässiger Begriffe muss sich jedoch niemand machen – die IATE verfügt über eine transparente Bewertung jedes Begriffs und vergibt jeweils zwischen einem (fragwürdig und ungeprüft) und vier Sternen (Verwendung sicher möglich). So können die Ü/D selbst entscheiden, ob sie auch ungesicherte Terminologie verwenden möchten, ob diese zumindest als Anregung zur Recherche angezeigt werden oder von vorneherein ausgeschlossen werden soll.

Wie kann die IATE verwendet werden?

Zunächst lässt sich die IATE wie jedes Online-Wörterbuch im Browser durchsuchen (https://iate.europa.eu/home). In der erweiterten Suche kann nach Ausdrucksart (wie Benennung oder Abkürzung) nach Umfang (beispielsweise genauer Begriff, genaue Zeichenfolge oder Teilbegriff) oder nach Fachbereich (Recht, Medizin, Maschinenbau, Energie …) gefiltert werden.

Interessant ist die Möglichkeit, unzulässige Begriffe auszuschließen oder bewusst einzubinden – diese erscheinen in der Suche natürlich mit Vermerk. So lässt sich nicht nur die passende Übersetzung für jeden Begriff finden, sondern man vermeidet auch, veraltete Teile seines Wortschatzes in die Übersetzung einfließen zu lassen, die zwar im Alltag noch verwendet werden, aber im fachlichen Gebrauch auf dem Index stehen (Hat da jemand Atü gesagt?).

Weitere Möglichkeiten erhält man nach einer kostenfreien Anmeldung – es ist auch möglich, sich die IATE herunterzuladen und außerhalb des Browsers zu verwenden. Als Formate stehen .csv (Comma-separated value) zum Import in Excel sowie .tbx zur Verwendung in CAT-Programmen zur Verfügung. Auch hier sind wieder die aus der Browser-Version bekannten Filteroptionen verfügbar (und deren Verwendung ist zumindest im .csv-Format dringend angeraten, sowohl Excel als auch LibreOffice kapitulieren beim Import vor der schieren Datenmenge), dazu lassen sich auch bestimmte Qualitätsstufen ausschließen.

Die Verwendung der .tbx-Datei in Trados (wenn jemand die Datei in MemoQ verwendet, teilt euer Wissen in den Kommentaren!) ist denkbar einfach – Termbank auswählen, Fachgebiete wählen, fertig! Anschließend funktioniert die Datenbank wie ein ganz gewöhnliches Glossary.

Fazit

Die EU hat mit der IATE ein beeindruckendes Projekt ins Leben gerufen. Natürlich wird es noch einige Jahre dauern, bis die Datenbank nur noch bei Neueinträgen aktualisiert werden muss, aber auch das derzeitige Angebot liefert für zahlreiche Branchen sowohl sichere Begriffslisten als auch wertvolle Anregungen zur weiteren Recherche.


Heiko Pfeil hat sein Englischstudium um einen Abschluss als technischer Produktdesigner für Maschinen- und Anlagenkonstruktion ergänzt. Er übersetzt schwerpunktmäßig Englisch <> Deutsch im technischen Bereich. Seit 2018 unterstützt er den DVÜD als aktives Beiratsmitglied.

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