Pressemeldung vom 24.04.2023
Das Forschungsprojekt Fairwork beleuchtet weltweit die Arbeitsbedingungen auf digitalen Arbeitsplattformen – und möchte sie durch seine transparenten Rankings verbessern. Mit einem weiteren Instrument, dem „Fairwork Pledge“, gibt das Projekt auch Unternehmen und NGOs die Möglichkeit, sich im Schulterschluss mit Fairwork für gerechtere Arbeit einzusetzen. Der DVÜD unterzeichnet nun als erster Branchenverband den Pledge, um gemeinsam mit den Forscher:innen wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten und für einen Mentalitätswandel zu werben.
Fairwork wird vom Wissenschaftszentrum Berlin und dem Oxford Internet Institute koordiniert. Im Fokus des Projekts standen bislang digitale Plattformen wie z. B. Uber, deliveroo, Upwork, Clickworker oder Fiverr, aber im Oktober 2022 haben die Forscher:innen erstmals auch unsere Branche in den Blick genommen und die Arbeitsbedingungen auf neun großen Übersetzungs- und Transkriptionsplattformen untersucht. Dreh- und Angelpunkt der Bewertung sind fünf Kriterien – Bezahlung, Bedingungen, Management-Prozesse, Verträge und Mitbestimmung –, die mithilfe von knapp 400 Interviews mit Kolleg:innen aus 88 Ländern und aktuellen Recherchen des beteiligten Teams bepunktet wurden.
Das nüchterne Ergebnis für die Marktführer unserer Branche: Prädikat prekär. SmartCat und TransPerfect erzielen null von zehn möglichen Punkten, Lionbridge gerade einmal zwei Punkte. Translated konnte mit acht Punkten ausgezeichnet werden, immerhin. Denn selbst die vollen zehn Punkte machen ein Unternehmen noch nicht zum Vorreiter – sie belegen nur, dass es Mindestanforderungen erfüllt, die für faire Arbeitsbedingungen sorgen. Im Bericht heißt es deshalb deutlich, aber kaum überraschend: „Die Arbeitskräfte sind als Freiberufler:innen auf einem globalen Arbeitsmarkt tätig und sind oft mit hoher Konkurrenz, niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten, einem stressigen Arbeitsumfeld und mangelnder Einkommenssicherheit konfrontiert.“
Um unsere Position als Selbstständige insbesondere gegenüber Kund:innen und Agenturen zu stärken, geht der DVÜD deshalb als Branchenpionier eine Kooperation mit Fairwork ein. „Die Unterzeichnung des Fairwork Pledge ist für uns mehr als nur ein gut gemeintes Zeichen – wir wollen Kund:innen und Agenturen konstruktive Orientierung geben“, sagen die DVÜD-Vorstände.
Zukünftig wird der Verband auf seiner Website aktiv auf die Ergebnisse des Rankings hinweisen und Auftraggeber:innen damit für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe sensibilisieren. „Aber auch unsere Mitglieder können auf das Ranking und – wichtiger noch – die fünf Kriterien als Anhaltspunkte bei der Suche nach Auftraggeber:innen und fairen Agenturen zurückgreifen.“
Das Verbandsteam denkt allerdings schon weiter und schmiedet gemeinsam mit den Forscher:innen bereits am weiteren Ausbau der Zusammenarbeit. Anfang März waren die Beirätin Imke Brodersen und Präsident Lyam Bittar zum Fairwork Stakeholder Meeting eingeladen. Darüber hinaus will der Verband seine Initiative ‚Runder Tisch Agenturen‘ neu beleben. „Preisdruck und Zeitdruck lassen sich nur bedingt durch technologische Beschleunigung auffangen. Automatisierte Prozesse können für Effizienzgewinne sorgen – keine Frage. Aber wenn Automatisierung in algorithmisches Management mündet, ist eine Grenze erreicht. Technische Fortschritte sollten allen Beteiligten zugutekommen – auch uns, die mit ihrer sprachlichen und fachlichen Expertise die entscheidende Leistung beisteuern“, fordern die Vorstände.
Eines der Kernanliegen des Verbands ist es, mehr Sichtbarkeit für faires Wirtschaften zu schaffen. „Das gelingt natürlich am besten, wenn wir unsere Kräfte mit anderen Verbänden im Rahmen von Fairwork bündeln. Wir hoffen deshalb, dass wir andere Verbände ermutigen können, sich uns aktiv anzuschließen.“ Die Vorstände sind überzeugt: „Je zahlreicher wir sind, desto leichter kommen wir mit den tonangebenden Agenturen ins Gespräch – um dann hoffentlich für bessere Spielregeln zu sorgen.“
ÜBER DEN DVÜD e. V.
Der Deutsche Verband der freien Übersetzer und Dolmetscher (DVÜD) e. V. macht sich seit seiner Gründung im Jahr 2011 für faire Arbeitsbedingungen stark. Wertschätzung, die angemessene Honorierung unserer Arbeit und ein freier Wettbewerb, bei dem wir Kollegen:innen, Mitbewerber:innen, Agenturen und Kund:innen mit gegenseitigem Respekt begegnen, stehen im Mittelpunkt unseres Engagements.
Super Initiative des DVÜD!
Berufskrankheit: Mir fällt gleich das fehlende „r“ im Bild auf („Fairwork Transkiptions- und Übersetzungsplattform Rating 2022“); Fehler allerdings im Original (Report von Fairwork).
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Plattformen überhaupt für „faire“ Arbeit eignen, denn sie stehen durch die maximale Optimierung aller Abläufe quasi sinnbildlich für die Entmenschlichung des Turbokapitalismus, die Entfremdung von der Arbeit, wie sie Marx schon andeutete.